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Thalia und Hugendubel: Kompliz*innen der «Homoheiler»

Trotz Verbot fallen für die Buchhandlungen Konversionstherapien unter «Meinungsfreiheit».

(Symbolbild: Unsplash / Lilly Rum)

Der Bundestag hat das Verbot von Konversionsbehandlungen beschlossen. Bei den grossen Buchhandlungen Thalia und Hugendubel bleibt der Homoheiler trotzdem im Bücherregal. Der Grund dafür: «Meinungsfreiheit». Bloss eine faule Ausrede, um sich nicht kritisch mit dem eigenen Sortiment auseinandersetzen zu müssen, findet Silvan Hess in seinem Samstagskommentar*.

Der Deutsche Bundestag hat das «Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen» verabschiedet (MANNSCHAFT berichtete). Bis zum Alter von 18 Jahren sind Methoden zur Unterdrückung der sexuellen Orientierung komplett verboten. Auch der Zwang zu derartigen «Therapie» steht künftig unter Strafe. Trotz dieses Verbots und der Tatsache, dass Homosexualität laut WHO seit 30 Jahren offiziell keine Krankheit mehr ist, finden sich weiterhin Bücher, die solche «Homoheilungen» propagieren.

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«Neutrale Buchhändler»
Einer der «Klassiker» der nachweislich schädlichen Konversionsbehandlungen ist «Healing Homosexuality» von Joseph Nicolosi. Der katholische Psychologe war selbsternannter «Gründer der Konversionstherapie» und verstarb im Jahr 2017. Mit seinen Schriften gab er Eltern von Schwulen und Lesben eine pseudowissenschaftliche Grundlage für ihre homophoben Überzeugungen.

«Healing Homosexuality» ist sowohl im Onlineshop von Hugendubel als auch in jenem von Thalia zu erwerben – für stolze 79 Euro. Ich wollte von den Unternehmen wissen, weshalb sie sich entschieden haben, selbst nach dem Verbot der Konversionstherapie dieses Buch zum Verkauf anzubieten.


Screenshot Thalia Homoheiler

Die Buchhandlung Hugendubel mit rund 1’700 Mitarbeiter*innen und Sitz in München ging nur teilweise auf meine Anfrage ein. «Wir sehen uns als neutrale Buchhändler», heisst es in der kurzen Stellungnahme. «Entsprechend möchten wir Titel, die nicht auf dem Index stehen, im Sinne der Meinungsfreiheit anbieten.»

Anweisungen zu potenziell illegalen Handlungen gehören also bei Hugendubel zur Meinungsfreiheit und demnach in ein «neutrales» Sortiment. Noch weniger kam von Thalia. Selbst nach zweimaliger schriftlicher Anfrage nimmt das Unternehmen mit Sitz in Hagen zu meinen Fragen nicht Stellung.

Es geht auch anders
Dabei hat sich im letzten Jahr gezeigt, dass es auch anders geht. So hatten sich 2019 sowohl ebay als auch Weltbild aufgrund einer Anfrage von MANNSCHAFT sofort dazu entschieden, den Homoheiler aus ihrem virtuellen Buchergestell zu entfernen (MANNSCHAFT berichtete). Weltbild schrieb damals: «Obwohl wir regelmäßig sorgfältig prüfen, welche Titel in den Shop gelangen, wurde dieser Titel übersehen und gelangte leider in den Shop. Dafür entschuldigen wir uns. Wir haben diesen Titel aus dem Angebot genommen.»


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Auch beim Schweizer Medienanbieter «Ex Libris» stellte man sich im vergangenen Jahr zumindest kritischen Fragen. Zwar blieben die Homoheiler im Sortiment, aber wenigstens wurde dies in einer ausführlichen Stellungnahme begründet. Auch hier war die Meinungsfreiheit das ausschlaggebende Argument.

Es ist eine Ausrede, die den Unternehmen die Arbeit erspart, sich differenziert mit dem eigenen Sortiment auseinanderzusetzen. Jede Buchhandlung kann nämlich frei entscheiden, welchen Autor*innen und Werken man eine Plattform geben möchte. Obwohl Konversionstherapien gravierende psychische Schäden verursachen können, bieten Thalia und Hugendubel die Bücher dazu ihren Kund*innen an. Damit machen sie sich zu Kompliz*innen der Homoheiler.

Vielleicht würde sich Thalia ja mit diesem Thema auseinandersetzen, wenn mehr Menschen beim Kundendienst des Unternehmens das Homoheiler-Sortiment hinterfragen würden.

Update: Thalia streicht Nicolosi aus Sortiment
Mehrere Leser*innen haben nach der Lektüre dieses Kommentars Thalia schriftlich kontaktiert. Sie erhielten daraufhin vom Buchhandelsunternehmen ein einheitliches Antwortschreiben, das MANNSCHAFT vorliegt. Darin teilt Thalia mit, dass «Healing Homosexuality» von Joseph Nicolosi sofort aus dem Sortiment gestrichen werde. Die deutsche Version des Buches habe man schon lange entfernt und dabei wohl die englische Originalfassung übersehen.

Thalia schreibt weiter: «Ein wichtiger Zweck des Lesens ist es, andere Menschen über Grenzen hinweg zu verbinden und zu verstehen, weshalb dieser Titel bei uns nicht mehr verfügbar ist. Empathie und Toleranz sind der Schlüssel zum friedlichen Zusammenleben in einer Demokratie – auch in turbulenten Zeiten wie diesen. Das Aufeinander-Zugehen und das Einander-Zuhören müssen heute mehr denn je verteidigt werden und Thalia bekennt sich klar zum Wert der Toleranz und gegen Intoleranz, denn wir glauben, dass Bücher Herzen öffnen können.

*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.


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