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LGBTIQ-Solidarität: In Zeiten von Corona nur Ansichtssache?

Wie weiter mit den EuroGames 2020 in Düsseldorf?

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Die spanische Delegation an den EuroGames 2019 in Rom. (Bild: Mannschaft Magazin)

Die EuroGames 2020 in Düsseldorf können wegen Corona nicht stattfinden. Wenn möglich, sollen Teilnehmende auf eine Rückerstattung ihrer Registrationsgebühren verzichten, schreibt Greg Zwygart in seinem Kommentar*.

Sie hätten eine Erfolgsgeschichte werden sollen: Die EuroGames 2020 in Düsseldorf. Vom 5. bis 9. August 2020 hätte die Sportveranstaltung für LGBTIQ-Athlet*innen über die Bühne gehen sollen, über 32 Sportarten waren vorgesehen, darunter Badminton, Fussball, Leichtathletik und Volleyball sowie Skifahren, Tanzen und Tischtennis. Eine Erfolgsgeschichte wäre dringend nötig gewesen, denn in den letzten Jahren haben LGBTIQ-Sportevents einen grossen Imageschaden erlitten.

Die EuroGames werden jährlich in einer anderen europäischen Stadt ausgetragen und von ansässigen LGBTIQ-Sportvereinen organisiert. Kritik gab es an der Organisation der EuroGames 2015 in Stockholm. Die Situation verschlimmerte sich an den letztjährigen Spielen in Rom. Es waren verheerende Mängel, wie ich als Teilnehmer vor Ort mit eigenen Augen feststellen konnte: Das gross angekündigte Village war inexistent, Programmänderungen wurden nicht oder zu spät kommuniziert, und Sportstätten entsprachen nicht den Bedürfnissen der einzelnen Sportarten (MANNSCHAFT berichtete).

Ein viel grösseres Desaster richteten die World OutGames 2017 in Miami an, die von der Gay and Lesbian International Sport Association GLISA lizenziert wurden. Die Spiele wurden wenige Stunden vor Beginn abgesagt, nachdem Athlet*innen aus aller Welt bereits angereist waren. Der CEO hatte über 100’000 US-Dollar an Beratungsgebühren in die eigene Tasche gesteckt. Die Organisator*innen hinterliessen eine unsauber geführte Buchhaltung und horrende Spesenrechnungen. Zu den Geprellten gehörten die Stadt Miami, mehrere Hotels und nicht zuletzt die Athlet*innen, die Teilnahme sowie Flug und Anreise bezahlt und sich auf das sportliche Grossereignis gefreut hatten.


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In Düsseldorf hätte alles anders werden sollen. Das Organisationsteam setzt sich aus mehreren LGBTIQ-Sportvereinen zusammen, die bereits vor fünf Jahren mit der Planung der EuroGames 2020 begann. Die Stadt Düsseldorf gab ihren Segen und unterstützte das Vorhaben mit 80’000 Euro. Auch an Erfahrung mangelt es den Sportvereinen nicht: In Düsseldorf geht regelmässig der Düssel-Cup mit acht Sportarten und bis zu 1000 Athlet*innen über die Bühne, so auch der Grand Prix Düsseldorf im Equality-Tanz und das Tennisturnier Gay German Open.

Die frühe und intensive Vorbereitung hatte sich ausgezahlt. Schon im September 2019 hatten die Organisator*innen mehr als 30 Sportarten am Start, fast alle Sportstätten waren gesichert. Zum Vergleich: Im März 2019, vier Monate vor den EuroGames in Rom, musste der European Gay and Lesbian Sports Federation EGLSF (Dachverband und Lizenzgeberin der EuroGames) nach Rom reisen und eingreifen, damit die Spiele überhaupt stattfinden konnten. «Es ist ein grosser Vorteil, dass wir jetzt schon so weit sind», sagte mir Götz Fellrath, Co-Geschäftsführer der EuroGames 2020 Düsseldorf, damals in einem Interview. Bereits über 600 Athlet*innen hatten sich im September 2019 registriert, im Frühjahr 2020 wurde die 2000er-Marke geknackt.

Doch dann kam Corona.


Am 15. April beschlossen Bund und Länder, Grossveranstaltungen mit über 1000 Personen bis Ende August zu verbieten. Gemeinsam mit dem EGLSF versuchten die Organisator*innen in Düsseldorf eine Lösung zu finden. Doch das war einfacher gesagt als getan. Mit Kopenhagen und Nijmegen stehen die Austragungsorte der EuroGames 2021 und 2022 schon fest.

Die Düsseldorfer*innen schlugen eine Verschiebung aller Veranstaltungen um ein Jahr vor. Sollten die Spiele auch 2021 nicht in Düsseldorf stattfinden können, müssen die Organisator*innen nebst allen Stornierungsgebühren auch sämtliche Registrationsgebühren zurückzahlen. Kopenhagen ist von dieser Idee jedoch nicht begeistert: In der dänischen Hauptstadt sollen die EuroGames 2021 zeitgleich mit der World Pride über die Bühne gehen, geplant ist ein Megaevent. Eine Verschiebung um ein Jahr würde die beiden Events auseinanderreissen.

«Wir erleben derzeit, wie unser Traum vom Ausrichten der EuroGames und die ehrenamtliche Arbeit vieler Jahre vernichtet werden», schreibt Euro Games Düsseldorf in einer Medienmitteilung.

Ein neuer Vorschlag der Düsseldorfer*innen sind «Twin Games» – eine Durchführung der EuroGames Anfang August 2021, zwei Wochen vor der Austragung in Kopenhagen. Doch die Idee kommt in den sozialen Netzwerken nicht gut an. Teilnehmer*innen zeigen sich unbeeindruckt und fordern ihr Geld zurück. «Ihr erwartet, dass wir doppelt so viel Geld ausgeben für zwei eng aufeinanderfolgende Events und die damit verbundenden Reisen?», schreibt ein User. Eine Userin gibt zu Bedenken, dass es für sie und ihr Team nicht möglich sei, binnen kurzer Zeit zweimal sportliche Bestleistungen zu liefern.

«Wir zelebrierten es, dass wir das einzige Team ohne Lesbe waren»

«Twin Games» liegen auch nicht im Sinne des Dachverbands EGLSF, wie er in einer Medienmitteilung klar zu verstehen gibt. Er fordert die Organisator*innen in Düsseldorf auf, die Rückzahlung der Anmeldegebühren in die Wege zu leiten. Düsseldorf bittet derweil um Solidarität und hofft auf einen positiven Entscheid für die «Twin-Games» im Rahmen einer ausserordentlichen Generalversammlung, die laut EGLSF jedoch nicht stattfinden wird. Bahnt sich für die EuroGames eine neue PR-Katastrophe an?

Wie sieht Solidarität in Zeiten von Corona aus? Soll Kopenhagen sich den «Twin-Games» fügen, selbst wenn das weniger Teilnehmende und ein finanzielles Risiko bedeutet? Sollen die Spiele alle ein Jahr später stattfinden und damit allen Beteiligten einen Mehraufwand bescheren? Oder soll Düsseldorf 2023 oder 2024 hintenanstehen oder die EuroGames gar absagen, während für alle anderen «Business as usual» gilt? Wäre es nicht angebracht, den Teilnehmer*innen von Düsseldorf – vermutlich hat Corona auch sie teilweise hart getroffen – ihr Geld zurückzugeben?

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Kurz vor der Eröffnungszeremonie der EuroGames 2019 in Rom. (Bild: Mannschaft Magazin)

Faire Antworten auf diese Fragen zu finden, ist müssig. Wird Solidarität in Zeiten von Corona zur Ansichtssache? Die EuroGames Düsseldorf haben nun die Teilnehmer*innen in Form einer E-Mail informiert. Möglich ist eine Rückerstattung von 80%, doch selbst dafür müssen die Organisator*innen auf das öffentlich gesprochene Geld der Stadt zurückgreifen.

Doch Solidarität kann auch ganz einfach sein: Teilnehmer*innen, die es finanziell verkraften können, sollen auf eine Rückerstattung verzichten. Je nach Anmeldung – man konnte sich für mehrere Sportarten registrieren und auch schon Partytickets, Merchandise und öV-Tickets beziehen – sprechen wir hier zum Teil von knapp 100 Euro pro Person. Als Teilnehmer der Sportart Leichtathletik werde ich das auf jeden Fall tun und ich bitte andere, die nicht zwingend auf das Geld angewiesen sind, es mir gleichzutun. Vielleicht ermöglicht eine gemeinsame Solidarität der Teilnehmer*innen eine Durchführung der EuroGames in Düsseldorf zu einem späteren Zeitpunkt zu ermöglichen. Anders als bei den Spielen gibt es in den Zeiten von Corona keine Gewinner*innen.

*Die Meinung der Kommentator*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.


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