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Verbot von «Homoheilungen» – In den Familien droht die Hölle

Zum neuen deutschen Gesetz gegen antihomosexuelle Konversionstherapien – ein kleiner Fortschritt, mehr nicht

Verbot von Homoheilungen
Symbolbild: AdobeStock

Der Deutsche Bundestag hat das «Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen» verabschiedet. Bis zum Alter von 18 Jahren sind Methoden zur Unterdrückung der sexuellen Orientierung komplett verboten. Strafen drohen aber auch, wenn die Betroffenen zwar volljährig sind, aber durch Zwang, Drohung oder Täuschung zu solch schädlichen «Homoheilungen» bewegt wurden. Das Gesetz ist ein kleiner Erfolg, doch bis zu einer besseren Welt ist es noch ein langer Weg, schreibt Jan Feddersen in seinem Samstagskommentar*.

Am Donnerstag hat der Deutsche Bundestag ein bemerkenswertes Gesetz verabschiedet, es wäre vor wenigen Jahrzehnten noch unvorstellbar gewesen: Verboten ist künftig jede Art der Konversionstherapie von Nichterwachsenen, also von Jugendlichen. Untersagt sind, bei Geld- oder kurzer Haftstrafe, organisierte, therapeutisch gesinnte Versuche, aus möglicherweise schwulen oder lesbischen Jugendlichen Heterosexuelle zu machen (MANNSCHAFT berichtete). Eine Gegenstimme gab es zu diesem Gesetz, sie kam aus den Reihen der rechtspopulistischen und heterosexuell-klassisch-familiär orientierten rechten AfD. Aber diese spielte gar keine Rolle, auch der Redner der AfD zu diesem Gesetz bekundete, Homosexualität nicht als Krankheit zu sehen.

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Tatsächlich geht das Gesetz auf Impulse aus unserer Community zurück, besonders die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld hat sich heftig engagiert – mit dem Erfolg, dass sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dieses Schutzbestimmung durch die gesetzgebenden Instanzen zu tragen persönlich zu eigen machte (MANNSCHAFT berichtete). Dass er von der CDU ist, einer Partei, die so gut wie jeden liberalisierenden Fortschritt in Sachen LGBTI seit Gründung der Bundesrepublik zunächst stets hintertrieb, um ihn dann zähneknirschend mittragen zu müssen, ist ebenfalls erstaunlich.

Dass das Gesetz ein paar – vielleicht nicht ganz und gar gewichtige, aber doch merkbare – Mängel aufweist, muss eigentlich keine Rolle spielen: Im Bewusstsein der satten Mehrheit der Bevölkerung hat sich ohnehin längst durchgesetzt, dass Schwules, Lesbisches, ja, überhaupt Fragen der sexuellen Identität nicht verhandelbar zu sein haben. Das Verbot von Konversionstherapien ist vor allem für ältere Menschen – und ich gehöre dazu, ich erinnere mich genau – ein Meilenstein des Schutzes anderer als heteronormativer Identitäten.


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Früher, in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, gab es kein psychotherapeutisches Angebot, bei dem unsereins nicht Gefahr lief, dort, in den Praxen, auch den Couches, in den Sesseln gegenüber den Psycholog*innen, nicht mehr oder weniger klammheimlich «kuriert» zu werden – von der «Störung» namens Homosexualität. Nicht nur kirchlich-christliche Institutionen waren berüchtigt für ihre süsslich verpackten Absichten, einen «heim ins heterosexuelle Reich» zu bequatschen. Gern auch mit furchterregenden Bildern, die sie vorzeigen – Sodom & Gomorrha waren nix dagegen.

Aber die Mängel haben sich am Ende des Gesetzgebungsprozesses eben doch eingeschlichen, sie atmen den Geist der alten, homophoben Verhältnisse: Geschützt sind vor Konversionstherapien nur Menschen bis zur Volljährigkeit. Aber gerade als Erwachsene, etwa wie die Partei der Grünen vorschlägt bis zum 26. Lebensjahr, sind viele gefährdet, der Selbsthomophobie zu folgen und sich einer solchen Therapie zu unterwerfen. Und: Eltern, also Erziehungsberechtigte, dürfen weiter unbehelligt bleiben, wenn sie ihr antihomosexuelles Reden als liebevolle Geste verpacken – wenn sie also ihre Elternaufgabe nicht «gröblich» verletzen – was auch immer das heissen soll.

Man hätte die therapeutischen Angebote in jeder Hinsicht verbieten sollen

Und in dieser Passage, die mutmasslich auf lobbyistische Einflüsterei evangelikaler und katholischer Verbände zurückgeht, derzufolge Jungerwachsene dann doch den Angeboten von Konversionstherapeut*innen folgen können, ist auch die Crux zu suchen: Man hätte die therapeutischen Angebote in jeder Hinsicht verbieten sollen – ungefähr so krass verbieten wie eine verfassungsfeindliche Organisation. Warum sollen Therapien erlaubt bleiben, die ersichtlich auf die Beschädigung von Menschen aus sind – auch wenn die Therapeut*innen das Gegenteil behaupten


Dass es an dem nicht ist, dass das Gesetz zur Konversionstherapie weiterhin Schutzlücken lässt, hat, jede*r weiss das, viel mit dem Bild von heterosexueller Familie zu tun: Letztlich bleibt sie der Maßstab glückenden Lebens. Dabei weiß jeder schwule Mann, jede lesbische Frau: Die Hölle der Homophobie droht vor allem in den eigenen Familien, Mütter und Väter sind es, die ihren Kindern subtil und feinsinnig nahelegen, dass homosexuelles Leben irgendwie doch nicht so ganz und gar gleich okay ist wie ein heterosexuelles.

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Die Eltern sind meist der Grund, warum schwule und lesbische Kinder an sich selbst und ihrem Coming-out leiden. Hier müssen noch viele Eisberge zum Tauen gebracht werden. Bis dahin – dieses Gesetz des Konversionstherapieverbots ist ein Stück auf dem langen Weg zu einer besseren Welt.

*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.


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