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Geschlossene Grenze wird für Paare zur Nervenprobe

«Nie hätten wir gedacht, dass die Grenzen so lange geschlossen bleiben»

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Stephan Zeller (links) und Martin Vogl. (Bild: zvg)

Seit über sechs Wochen sind die Grenzen zwischen Deutschland und der Schweiz geschlossen. Binationale Paare wie Stephan Zeller und Martin Vogl wissen immer noch nicht, wann sie sich wiedersehen können.

Die Schweiz fiebert dem 11. Mai entgegen. Im Rahmen einer zweiten Lockerung können Läden, Restaurants, Märkte, Museen und Bibliotheken wieder öffnen, so auch die obligatorischen Schulen. Nicht freuen kann sich hingegen Stephan Zeller aus Rorschach im Kanton St. Gallen, denn er weiss immer noch nicht, wann er seinen Partner das nächste Mal in die Arme schliessen kann. Dieser wohnt in München und die Grenze bleibt für unverheiratete Paare vorerst geschlossen.

Das Paar steht ganz am Anfang seiner Beziehung. Im Dezember 2019 lernt Stephan auf einer Datingplattform Martin Vogl kennen, als dieser beruflich in Friedrichshafen weilt. Die Stadt befindet sich am deutschen Ufer des Bodensees gleich gegenüber vom schweizerischen Rorschach. Für ein Treffen reicht es zeitlich nicht und so reist Stephan im Januar nach München für ein erstes Kennenlernen.

Die beiden verlieben sich ineinander und treffen sich daraufhin regelmässig. Als Mitte März die Grenze zwischen der Schweiz und Deutschland dichtgemacht wird, befindet sich Stephan gerade in München. Seine Zugverbindung nach Hause wird storniert, auch Flixbus stellt seinen Betrieb in die Schweiz ein. Mit dem Auto fährt Martin seinen Partner nach Friedrichshafen, wo dieser mit einer der letzten Fähren nach Hause fährt.


Ja, ich will … aber Corona sagt Nein

Ob Martin nicht gleich mit Stephan in die Schweiz fahren soll? Bei der Verabschiedung denken sie kurz daran, entscheiden sich aber schliesslich dagegen. «Im Nachhinein ist man immer schlauer», sagt Stephan im Telefongespräch mit MANNSCHAFT. Martin ist in der IT-Branche tätig und hätte gut bei Stephan im Homeoffice arbeiten können. «Nie hätten wir gedacht, dass die Grenzen so lange geschlossen bleiben.»

Zwar sind für den 11. Mai auch erste Lockerungen der Einreisebestimmungen geplant. Diese gelten jedoch in erster Linie für den Arbeitsmarkt. So sollen etwa Arbeitnehmende aus Drittstaaten einreisen dürfen, die bereits über eine Bewilligung für eine Erwerbstätigkeit in der Schweiz verfügen. Von der Einreisesperre nicht betroffen sind Eheleute, eingetragene Partner*innen sowie Elternteile, die ihre minderjährigen Kinder besuchen wollen.

Wird die Grenze für Paare am 8. Juni geöffnet?

Als unverheiratetes Paar haben Stephan und sein Partner Martin das Nachsehen. «Solche Beziehungen stellen im Normalfall keine Situation der äussersten Notwendigkeit dar», schreibt das Staatssekretariat für Migration SEM auf seiner Website. «Die grosse Zahl der daraus resultierenden Einreisen stünde im Widerspruch zu den getroffenen Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie.» Weitergehende Lockerungsmassnahmen im Migrationsbereich sind für den 8. Juni vorgesehen, «sofern die epidemiologische Situation dies erlaubt».


Stephan kann gut nachvollziehen, dass man die Grenze schliesst, um etwa dem Einkaufstourismus einen Riegel zu schieben. «Es ist ein Skandal, dass der Staat es einem verbietet, den Liebsten oder die Liebste zu sehen», sagt er. «Wenn ein Lastwagenfahrer aus Rumänien über die Grenze fährt, ist es kein Problem. Wenn Leute einreisen, um Erdbeeren oder Spargeln zu pflücken, auch nicht. Warum soll dann mein Partner plötzlich ein Gesundheitsrisiko sein?»

Ungeoutet zuhause? Du bist nicht allein

Nachdem ein Antrag für eine Einreiseerlaubnis beim SEM gescheitert ist, wendet sich Stephan mit einem Schreiben nun an Politiker*innen. In einer Antwort versicherte GLP-Nationalrat Thomas Brunner, das Anliegen binationaler Paare bei Justizministerin Karin Keller-Sutter zu deponieren. Regierungsrat Fredy Fässler meint hingegen:  «Solange Beschränkungen im freien Grenzverkehr für notwendig erachtet werden, ist es einfach schwierig zu überprüfen, ob diese Beziehungen ernsthaft sind oder einfach zum Erreichen eines Grenzübertritts einmal behauptet werden.»

«Ich fühle mich als Bürger nicht ernst genommen», sagt Stephan. Von seinem Fenster in Rorschach sieht er über den Bodensee bis nach Friedrichshafen. In der anderen Richtung liegt Österreich. Die ineinander verwachsenen Grenzorte Kreuzlingen und Konstanz sind heute mit zwei Zäunen und zwei Metern Abstand getrennt. «Es sind zwar drei Länder, doch die Menschen hier sind miteinander verbunden. Viele halten die Massnahmen für übertrieben.»

Stephan und Martin pflegen ihre junge Beziehung mit Telefonanrufen und Videocalls. «Wir haben uns seit über sechs Wochen nicht mehr gesehen», sagt Stephan. Eine transparente Kommunikation des SEMs über die weiteren Lockerungsmassnahmen würde dem Paar einen Lichtblick geben. «Wenn wir wenigstens ein Datum hätten, einen Tag, nach dem wir uns richten könnten, würde es die Sache um einiges vereinfachen.»

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