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Lob der LGBTIQ-Community vor Homohasser Mike Pence

Der HIV-Experte Anthony Fauci ist Teil von Donald Trumps «Corona Task Force» und erinnert öffentlich daran, dass wir heute vom Kampf gegen die Aids-Epidemie lernen könnten

Anthony Fauci
Dr. Anthony S. Fauci bei einer Pressekonferenz im Weissen Haus zur Corona-Situation, zwischen Präsident Trump und Vice-Präsident Pence (Foto: The White House)

Die derzeitige US-Regierung und die Corona-Krise: das ist eine tragische «Farce», fast so schlimm wie Donald Trumps Administration und ihr Verhältnis zur LGBTIQ-Community. Inmitten von täglich neuen Schuldzuweisungen und zwischen konsterniert dreinblickenden Homohassern wie Mike Pence steht dabei Dr. Anthony Fauci wie ein Fels der Vernunft in der Brandung.

Als Teil von Trumps offizieller «Corona Task Force» lobte Dr. Fauci diese Woche den «unglaublichen Mut, die Würde, die Kraft und den Aktivismus», den Menschen aus der LGBTIQ-Community während der Aids-Epidemie gezeigt haben, als sie mit dem «aussergewöhnlichen Stigma» von HIV konfrontiert waren. Eine solche Würde und Kraft forderte er nun neuerlich ein.

Hinter ihm stand dabei fast ungläubig nickend Vizepräsident Pence, der wohl prominenteste und einflussreichste Mann in den USA, der ein solches Anti-Gay-Stigma immer wieder neu belebt – begründet mit seinem «christlichen Glauben» – und der Teil des «unwürdigen» Corona-Spektakels im Weissen Haus ist. (MANNSCHAFT berichtete über LGBTIQ-Proteste gegen Mike Pence während dessen Staatsbesuchen in Irland und Island.)

Die LGBTIQ-Bemerkungen Faucis fielen, als er darüber redete, wie das Coronavirus besonders die Gruppen betrifft, die gesellschaftlich ausgegrenzt und benachteiligt sind und schwer Zugang zum Gesundheitssystem haben. Einst waren es schwule Männer, heute sind es in den USA besonders Afro-Amerikaner. Ein Beispiel: Im Bundesstaat Michigan sind 40 Prozent der Corona-Toten afro-amerikanisch, obwohl sie nur 14 Prozent der Bevölkerung in Michigan ausmachen. (Die LGBTIQ-Passage findet sich im Video ab 2’30’57.)


National Institute of Allergy and Infectious Diseases
Da der Virologe Dr. Fauci seit 36 Jahren Leiter des «National Institute of Allergy and Infectious Diseases» (NIAID) ist und 1981 auch als einer der Ersten die Berichte über Todesfälle unter schwulen Männern in New York und San Francisco las, deren Immunsystem zusammengebrochen war, hat er einen Grossteil seiner Laufbahn mit dem Kampf gegen HIV verbracht. Und sich dabei – im Gegensatz zu etlichen US-Präsidenten wie Ronald Reagan – niemals als homophob erwiesen. Im Gegenteil.

Nun zog er eine Verbindungslinie zwischen damals und heute: «Während dieser Zeit [den 1980er-Jahren, Anm.] gab es ein aussergewöhnliches Stigma, besonders in Bezug auf homosexuelle Männer», sagte Fauci diese Woche. «Und erst als die Welt erkannte, wie die Gay Community auf diesen [Virus-]Ausbruch antwortete, mit unglaublichem Mut und Würde und Kraft und Aktivismus, änderte sich etwas in Bezug auf die Stigmatisierung – und zwar grundlegend.»

Weiter heisst es: «Wenn man, wie jetzt, mitten in einer Krise steckt, wirft das ein sehr scharfes Licht [a very bright light] auf einige der wirklichen Schwächen und Marotten [foibles] unserer Gesellschaft.»


Konversionstherapie als Kampf gegen Aids
Vizepräsident Pence hörte mit versteinerter Miene zu. Als er sich im Jahr 2000 erstmals um einen Posten im Kongress bewarb, hiess es auf seiner Kampagnen-Webseite, dass der Kongress prüfen solle, ob Staatsgelder «an Organisationen gegeben werden, die Verhaltensweisen zelebrieren und befördern, die die Verbreitung des HI-Virus erleichern». Pence forderte damals, dass Gelder «an Institutionen gegeben werden sollten, die denjenigen Hilfe anbieten, die ihr Sexualverhalten ändern wollen». D. h. sein Ideal eines Kampfes gegen HIV/Aids bedeutete Konversionstherapie.

Später stimmte Pence im Kongress gegen sämtliche LGBTIQ-Anträge, die er «Teil einer radikalen sozialen Agenda» nannte. Er betonte auch, dass LGBTIQ-Familien «nicht der sicherste Hafen für Kinder» seien. (MANNSCHAFT berichtete über Mike Pences homophobe Familienpolitik.)

 

Trumps Bibelbuddy: Coronavirus ist Gottes Strafe für LGBTIQ

Als Vizepräsident weigerte er sich dann 2018, Menschen aus der LGBTIQ-Community während seiner Welt-Aids-Tag-Ansprache überhaupt zu erwähnen. Stattdessen gab er lieber ein Jahr zuvor eine Keynote-Rede bei der Anti-LGBTIQ-Organisation «Focus on the Family», um deren 40. Jubiläum zu feiern. Diese Organisation wurde von James Dobson gegründet, der wiederholt publizierte, wie wichtig es sei, Jungs zu Heteros zu erziehen, damit sie «nicht mit sexuell übertragbaren Krankheiten wie Aids und Tuberkulose in Berührung kommen und dadurch eine kürzere Lebenserwartung» hätten.

Meistgeliebter und meistgehasster Wissenschaftler der USA
Dass der 79-jährige Fauci mit seinen Bemerkungen zur LGBTIQ-Community und mit seiner implizierten Kritik an der Trump-Administration zu einem der meistgeliebten und zugleich meistgehassten Wissenschaftler in den USA wurde, liegt auf der Hand.

Während Donald Trump am Osterwochenende eine weitere Frontalattacke auf die «Fake News New York Times» startete und ihr vorwarf, sie würde jetzt «den Ursprung des Coronavirus in Europa sehen, nicht in China», um sich damit bei der chinesischen Regierung einzuschleimen, damit sie wieder ins Land dürfen [«They were recently thrown out of China like dogs, and obviously want back in. Sad!»], und während Pence verkündete, er werde dem Ostergottesdienst mit seiner christlich-evangelikalen Familie von zuhause aus beiwohnen, arbeitet der 79-jährige Fauci jeden Tag 19 Stunden gegen Covid-19.

Der HIV-Aktivist Peter Staley (Mitbegründer von ACT UP) sagte unlängst über seinen Freund und Weggefährten Fauci in einem Interview: «Sie dürfen nicht vergessen, dass Anthony genauso viele Menschen an HIV hat sterben sehen wie ich. Er ist Wissenschaftler, aber auch Arzt, und leitet auch ein Forschungskrankenhaus. Auf dem Höhepunkt der Aids-Krise waren 90 Prozent der NIAID-Betten mit sterbenden schwulen Männern belegt. Viele von denen hat Anthony in den Tod begleitet. Natürlich haben er und ich da auch mal zusammen geweint. Und diese Narben bleiben einfach. Ich sehe sie an mir, und weiss, dass er sie auch hat. Dass er noch nicht im Ruhestand ist, und deswegen jetzt auch gegen Covid-19 kämpft, hat damit zu tun, dass Anthony dabei sein möchte, wenn wir einen Impfstoff gegen HIV haben, oder ein Medikament gegen Aids gefunden haben. Vorher hört er nicht freiwillig auf.»

Beharrlichkeit und weitere Corona-Helden
In einem Podcast verweist Staley darauf, wie eng verwoben der Aids-Aktivismus der 1980er- und 90er-Jahre mit der aktuellen Corona-Krise ist: «Das grösste Testlabor befindet sich bei der NIAID, also genau da, wo Tony Fauci arbeitet. Es wurde von Aids-Aktivisten als Teil des Systems kreiert – mit geduldiger Beharrlichkeit – und läuft seit Jahrzehnten reibungslos. Und dieses Labor wird jetzt genutzt, um so schnell wie möglich Covid-19-Test durchzuführen.»

Während viele in der LGBTIQ-Community Dr. Fauci feiern und hoffen, dass er seinen Einfluss auf Trump trotz Widerworten nicht verlieren und auch weiter an Mike Pence vorbei das Ohr des Präsidenten findet wird, machen sich bekannte schwule Satiriker wie Randy Rainbow mit ihren Mitteln übers katastrophale Krisenmanagement der Trump-Adminstration lustig – und haben neben Fauci einen weiteren Corona-Helden ausgemacht, nämlich den Gouverneur des Bundesstaates New York, Andrew Cuomo. Diesen feiert Rainbow mit Bewunderung in seinem neuesten Video «Andy» zur Musik aus dem Musical «Grease». Ob er Dr. Fauci auch einmal ein Musikvideo widmen wird, bleibt abzuwarten. Vermutlich erst dann, wenn Trump Fauci feuert.

Allerdings sagt Peter Staley: «Ich glaube, sein Job ist unglaublich sicher. Das hat mich nie besorgt. Er ist Beamter, also kann Trump ihn nicht direkt rausschmeissen.» Wenn es doch geschieht, weil bei Trump nichts unmöglich scheint, würde die LGBTIQ-Community einen wichtigen Ally im Weissen Haus verlieren. Und Mike Pence müsste sich nicht mehr öffentliches Lob für die LGBTIQ-Community und deren «radikale soziale Agenda» anhören. Er könnte dann eher zusammen mit dem konservativen evangelikalen Prediger und Trump-Bibelbuddy Ralph Drollinger behaupten, dass das Coronavirus eine Strafe Gottes für LGBTIQ und ihre «erniedrigenden Leidenschaften» sei. (MANNSCHAFT berichtete über Drollinger und Trump.)


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