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«Andere backen Bananenbrot – wir machen etwas Sinnvolles»

Der Berliner Modedesigner Timmi Taubenschreck näht Masken gegen das Coronavirus

Mundschutz nähen
Timm trägt den selbstgenähten Mundschutz (Foto: privat)

Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus gilt in Jena seit Montag eine Pflicht zum Tragen von Mundschutz etwa in Geschäften sowie Bussen und Bahnen. Andernorts tragen ihn Menschen bereits (MANNSCHAFT berichtete), aber freiwillig. Mundschutz nähen – das passiert in vielen kleinen und grossen Initiativen bereits. Ein Berliner Modedesigner wird dafür kritisiert, dass er Geld für seine Arbeit nimmt.

In Österreich ist das Tragen eines Mundschutz künftig Pflicht. Zudem bleibt das Kontaktverbot bestehen – auch wenn zum 14. April kleine Geschäfte sowie Bau- und Gartenmärkte unter strengen Auflagen wieder öffnen dürfen.

Auch die ostdeutsche Stadt Jena trägt Mundschutz. Mit der Anordnung soll eine Übertragung des Virus durch Tröpfcheninfektion beim Sprechen, Husten oder Niesen eingedämmt werden; draussen im Freien ist der Mundschutz nicht vorgeschrieben. Nach Angaben der Stadt ist kein medizinischer Mundschutz notwendig, es reichen selbstgenähte Masken sowie Tücher oder Schals, die Mund und Nase bedecken. Auch der Kreis Nordhausen in Thüringen führt schrittweise eine Mundschutzpflicht in Geschäften, Bussen und Taxis ein.

Bundesweit gibt es in Deutschland keine Regelungen zum Tragen von Masken. Allerdings twitterte die Berliner Charite am Wochenende den Aufruf: «Macht auch Ihr mit und tragt in der Öffentlichkeit als Höflichkeitssignal und um andere zu schützen eine Maske.»


Timm hat in Berlin Modedesign studiert und hatte 10 Jahre ein eigenes Modelabel. Aber davon hat er sich vor drei Jahren verabschiedet – weil er seine Zeit in andere Projekten investieren wollte.

Sein Atelier hat er aber noch, auch die Maschinen und dazu einen relativ grossen Stofffundus. Vor drei Wochen hat er angefangen, Masken für ein Altenheim um die Ecke zu nähen. Seine Schwester arbeitet dort – es gäbe dort schon seit Monaten keine Masken und Handschuhe mehr. Bei den Masken für das Heim gehe es eher um den hygienischen Aspekt und nicht um den Schutz vor dem Virus, sagt Timm.

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Als er seiner Projekt-Partnerin Jana davon erzählte und ihr die Masken zeige, kam ihnen die Idee, die Masken als Spende zu «verkaufen» und das Geld zu spenden. «Aktuell haben wir relativ wenig zu tun und können beide genau das: nähen und verkaufen.»


Wahrscheinlich gebe es zahlreiche rechtliche Probleme und Hürden, vermutet Timm. Aber die liess man auf die Schnelle ausser acht – man wollte ja helfen. Also fingen sie an, drei Designs auszuwählen und legten los. Zwar gibt es (Stand Montag, den 6. April) in Berlin auch weiterhin keine Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, doch schon jetzt tragen viele Leute Masken oder umfunktionierte Schals.

Timms Ziel: den Erlös zu sammeln und das Geld erst in einigen Wochen zu spenden, weil es dem Grossteil der Leute aktuell noch relativ gut gehe, meint Timm. Soforthilfen und Grundsicherung geben vielen Leuten ein kleines Polster. Kleine Unternehmen bekommen ebenfalls Geld, das aktuell noch ausreiche, um das Nötigste abzudecken.

«Würden wir den Erlös jede Woche spenden, wäre das ein Tropfen auf den heissen Stein. Deshalb sammeln wir für anstehende harte Zeiten.»

Mundschutz nähen
Diese 3 Designs hat Timm bisher im Angebot (Foto: privat)

Die Masken kosten 10,00 Euro plus 3 Euro Versand, wenn man nicht direkt in Berlin-Wedding zum  Fenster-Laden geht. «Bisher hatten wir den Laden erst einmal geöffnet um das Feedback zu checken. Wir machen das alles jetzt seit letzten Dienstag. Und waren am ersten Tag ausverkauft.»

Timm und seine Partnerin haben mit sehr viel weniger Interesse gerechnet. Aber sie werden regelrecht überrannt. «Ich nähe aktuell täglich von morgens bis abends, um die Warteliste abzuarbeiten – danach müssen wir erstmal durchatmen.» Ende der Woche wollen sie mit drei neuen Designs starten.

Einer ihrer Abnehmer ist Michael aus Berlin. «Wirksamer Schutz hin oder her, ich dachte, so ein Mundschutz macht die mögliche Gefahr sichtbarer», sagt er gegenüber MANNSCHAFT. «Vielleicht setze ich ihn demnächst mal auf in der Supermarktschlange, wo mich uneinsichtige Leute ungemein stressen, die selbst trotz Bodenmarkierung und freundlicher Hinweisschilder auf den gebührlichen Abstand pfeifen und mir unangenehm auf die Pelle rücken. Vielleicht hilft der Maulkorb in Kombination mit strengen Blicken.»

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Nicht alle finden den Einsatz von Timm gut. In den sozialen Medien haben sie es immer wieder
mit negativen Kommentaren zu tun. Einige halten es für «Zeitverschwendung, die nichts bringt», andere meinen: 10 Euro seien viel zu viel für ein Stück Stoff. Oder auch: «Mit so etwas Geld machen ist in dieser Lage, nicht fair.»

Wir wollten etwas machen, das ein bisschen mehr Sinn hat als ein Bananenbrot zu backen und es auf Instagram zu teilen.

Bis zu einem gewissen Grad kann Timm die Leute verstehen. Aber: «Uns ging es darum, dass wir etwas machen in dieser Situation. Etwas machen, das ein bisschen mehr Sinn hat als ein Bananenbrot zu backen und das auf Instagram zu teilen. Oder sich die Haare abzurasieren oder zu färben und das auf Instagram zu teilen. Oder sich ungeschminkt mit fettigen Haaren zu filmen und das zu teilen.»

Kolleg*innen, die ebenfalls Masken produzieren, nähmen deutlich mehr Geld, teilweise das Doppelte. Darum sagt Timm: «Wir sind keine Krisengewinnler, weil wir unsere Arbeitszeit spenden, meine Stoffe spenden, unsere Einnahmen spenden – uns allerdings die Unkosten für Gummis oder abgebrochene Maschinennadeln abziehen. Wir verdienen jedenfalls nichts daran.»

Sie fertigen auch keine hohen Stückzahlen, zumal alle Masken handgefertigt sind. Etwa 10-15 Masken schafft er am Tag – nebenher produziert er ja noch die Masken für das Pflegeheim.

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Den Ansturm haben sie unterschätzt, sonst hätten wir mit einem großen Bestand gestartet. «Ich denke, realistisch können wir bis Mittwoch von knapp 50 verkauften Masken ausgehen.»

Den ganz grossen Bedarf kann er damit nicht decken – das ist Timm auch bewusst. «Ist das war wir machen wirtschaftlich? Nein. Ist das war wir machen eine grosse Hilfe? Nein. Wir machen etwas sinnvolles und sammeln Geld das aber keine grosse Rolle spielen wird. Aber Kleinvieh macht auch Mist!»

Unter timmi@taubenschreck.xyz kann man eine Maske bei dem Designer bestellen.


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