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Kabinett beschliesst Verbot von Konversionstherapien

Der Gesetzentwurf wurde am Mittwoch vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht

Verbot von Konversionstherapien
Das geplante Verbot von Konversionstherapien soll offenbar verschärft werden (Archivbild: Kevin Clarke)

Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Spahn (CDU) für ein Verbot von Konversionstherapien bei Minderjährigen auf den Weg gebracht. Wer die Pseudotherapien gegen Homosexualität anbietet, muss künftig mit Bussgeldern und bis zu einjährigen Gefängnisstrafen rechnen.

Jens Spahn erklärte vorab, man setze damit ein gesellschaftliches Zeichen an alle, die mit ihrer sexuellen Orientierung hadern: «Es ist ok, wie Du bist. Das bedarf keiner Therapie. Denn Du bist nicht krank», so Spahn zum RND. Homosexualität sei keine Krankheit und die so genannten Konversionstherapien eine Gefahr für die Betroffenen. Dadurch entstehe oft schweres körperliches und seelisches Leid. In Malta gibt es ein solches Verbot bereits seit drei Jahren (MANNSCHAFT berichtete).

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«Jeder Arzt, jede Ärztin, der oder die diese Therapie anbietet, muss sich den Vorwurf der Körperverletzung gefallen lassen. Und schliesslich ist dieses Gesetz ein Kinder- und Jugendschutzgesetz. Konversionstherapie bei Kinder und Jugendlichen ist verboten.» Wer gegen dieses Verbot verstosse, könne mit Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr bestraft werden. Minister Spahn: «Eindeutiger geht’s nicht.»

Das Verbot ist schärfer als ursprünglich gefasst. Im ersten Entwurf gab es Ausnahmen für Heranwachsende, das habe man gestrichen (MANNSCHAFT berichtete). «Gerade in dieser Altersphase finden die meisten Therapieversuche statt. Daher wird auch bei 16- bis 18-Jährigen die Konversionstherapie künftig verboten. Diese angebliche Therapie ist viel zu gefährlich für Leib und Seele, als dass man Grau-Bereiche zulassen dürfte.»


Die Opfer solcher Therapien können vor allem psychische Verletzungen wie Depressionen, Angstzustände und Suizidalität erleiden, erklärte das Ministerium gegenüber MANNSCHAFT in einer früheren Stellungnahme.

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Um sicherzustellen, dass das Verbot von Konversionstherapien auch eingehalten wird, soll es im Strafrecht verankert werden. Verstösse würden wie bei anderen Strafrechts-Delikten auch je nach Schwere der Tat von Ordnungsämtern oder von Polizei und Staatsanwaltschaft verfolgt. Selbst Werbung, das Anbieten und das Vermitteln dieser Therapien sollen verboten sein. Darauf steht dann ein Bussgeld von bis zu 30.000 Euro.

Er setze auf den Abschreckungseffekt, so Spahn. «Momentan werden Schätzungen zufolge in Deutschland jedes Jahr bis zu 2000 Konversionstherapien durchgeführt. Das sind 2000 zu viel.» Im US-Bundestaat Colorado wurde jetzt eine lesbische Frau nach langer Therapie tot aufgefunden (MANNSCHAFT berichtete).


Der Berliner Student Lucas Hawrylak hat mit einer Petition bei den Plattformen change.org und allout.org über 115.000 Unterschriften für ein Verbot von Konversionstherapien gesammelt (MANNSCHAFT berichtete). Er hat die Petition nun mit den Worten upgedatet: «Ich bin unglaublich froh und stolz, dass wir unsere Petition so weit bringen konnten und heute mit dem voraussichtlichen Beschluss im Kabinett die nächste Hürde auf dem Weg zu einem Verbot dieser menschenverachtenden Methoden nehmen können.»

Foto: Change.org

Natürlich hätten er und sein Team sich gewünscht, dass es ein Komplettverbot auch für Erwachsene gegeben hätte. «Dennoch ist das von uns allen Errreichte ein unglaublich wichtiger Schritt zum Schutz der LGBTIQ-Gemeinschaft in Deutschland und darauf können wir sehr stolz sein.»

Grüne loben Verbot von Konversionstherapien
Lob für die Verschärfung kommt von den Grünen. Ulle Schauws, Sprecherin für Queerpolitik, erklärte, diese angeblichen Therapien seien eine «gefährliche Scharlatanerie». Mit dem Entwurf erfülle sich die grüne Forderung nach einem Verbot dieser Pseudotherapien, das man erstmals 2013 in einem Gesetzentwurf gefordert habe.

«Wir freuen uns, dass das Bundesgesundheitsministerium die einhellige Kritik der Verbände sowie der grünen Bundestagsfraktion berücksichtigt hat und einen Teil der Ausnahmeregelungen für 16 bis 18-jährige gestrichen hat. Zudem werden nicht nur Homosexualität sondern endlich auch alle Formen der Geschlechtsidentität in das Verbots-Gesetz eingefasst», so Schauws.

Auch der LGBTIQ-Sprecher der FPD, Jens Brandenburg, äusserte sich positiv: «Wir Freie Demokraten unterstützen das geplante Verbot von Konversionstherapien und freuen uns sehr über die Nachbesserungen am Referentenentwurf. Es ist gut, dass die menschenverachtenden Versuche nun auch an 16- und 17-Jährigen lückenlos verboten werden sollen. Die deutliche Kritik von Opposition und Verbänden hat offenbar gewirkt. Jugendliche müssen vor religiösen Fanatikern geschützt werden.» Wer die gefährlichen Umpolungsverfahren an Minderjährigen durchführe, dürfe nicht straffrei davonkommen, so Brandenburg.

Schutzaltersgrenze von 26 Jahren gefordert
Dass der Regierungsentwurf die Durchführung von Behandlungen an Volljährigen erlaubt, wenn eine informierte Einwilligung vorliegt, hält der LSVD jedoch für verfehlt. Zumindest sollte in Anlehnung an die Sozialgesetzgebung eine Schutzaltersgrenze von 26 Jahren vorgesehen werden. Bei jungen Menschen in der Altersgruppe zwischen 18 und 26 Jahren ist vielfach ein vergleichbarer Schutzbedarf wie bei Minderjährigen gegeben, gerade auch was Coming-out-Verläufe und familiäre Abhängigkeiten angeht.

Anfang der Woche hatte die AfD in eine Expertenanhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, in dem ein Aktionsplan für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt auf Vorschlag der Grünen diskutiert wurde, den Sachverständigen Christian Spaemann geschickt, der die umstrittene Praxis der schädlichen Therapien vertritt. Der grüne Bundestagsabgeordnete und queerpolitische Sprecher Sven Lehmann nannte das im Vorfeld der Anhörung «widerlich».

Nach Auffassung des Psychiaters führe die Bearbeitung tiefgehender, emotionaler Konflikte dazu, dass «homosexuelle Impulse» abnehmen und so «heterosexuelle Potenziale freigesetzt» werden. In seiner behandelt Spaemann Homosexuelle, die «heterosexuell werden wollen» – nach eigener Aussage «überwindet» ein Drittel seine Homosexualität. In einem Beitrag für das Ärzteblatt plädiert er auch für die «Heilung von Transsexualität».


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