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Warten auf die Gnade von Annegret Kramp-Karrenbauer?

Die umstrittene CDU-Chefin ist zu Gast beim diesjährigen Jahresempfang der Schwulen und Lesben in der Union

Verfolgen will die CDU-Chefin Schwule und Lesben nicht, aber sie wertschätzen wie Heterosexuelle – das will sie auch nicht. Darum ist der bevorstehende Besuch von Annegret Kramp-Karrenbauer beim LSU-Jahresempfang besonders brisant, schreibt Jan Feddersen in seinem Samstagskommentar*.

Nächsten Donnerstag findet ein wichtiges Treffen im konservativen Spektrum dieses Landes statt. Es ist vielleicht für den Lauf der Welt im Allgemeinen nicht der heisseste Mist überhaupt, aber für Schwule und Lesben in der Union, kurz: für die Queers in der ewigen Regierungspartei ist es das. Dann nämlich findet in der CDU-Parteizentrale der Jahresempfang der LSU genannten Parteivereinigung statt – das aber erst durch eine bestimmte Gästin an Brisanz gewinnt. Zum Talk geladen ist nämlich Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Vorsitzende und Verteidigungsministerin seit kurzem, Nachfolgerin Angela Merkels.

Auch LSU fordert nach Toiletten-Witz Entschuldigung von AKK

Von AKK, so nennt man die saarländische Politikerin allgemein in der Berichterstattung hierzulande, wird viel erwartet. Dass sie nämlich die LSU irgendwie lobt, mehr noch, dass sie womöglich öffentlich erklärt, dass sie mit der Ehe für alle nicht nur ihren Rechtsfrieden gemacht hat, dass sie also das Gesetz zur Gleichstellung Homosexueller im Eherecht nicht mehr rückgängig machen möchte, sondern dass sie von Herzen akzeptiert, dass die Ehe nicht mehr ein heterosexuelles Privileg sein darf.

Papsttreue Katholikin und Gewissenskreuzritterin
Vermutlich ist das zuviel verlangt, Kramp-Karrenbauer ist eine Herzensprivilegheterosexuelle, sie will nicht, dass schwule oder lesbische Paare heiraten können. Sie war in den vergangenen Jahren, als bei den deutschen Konservativen die Debatte um die Ehe für alle heftig ausgetragen wurde, für kein Argument kluger Parteifreund*innen zugänglich, Hinweisen von solchen Leuten wie der künftigen EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (MANNSCHAFT berichtete), Jens Spahn, Stefan Kaufmann, Peter Altmaier oder Dagmar Wöhrl, diese sogar von der CSU aus Berlin. Dass die Eheöffnung für Homosexuelle Heterosexuellen nichts wegnehme, dass vielmehr die Eheöffnung die Ehe als Institution aufwerte. Nein, AKK blieb ganz papsttreue Katholikin, eine Gewissenskreuzritterin, die die weltlichen Zeichen der Zeit zugunsten ihrer frömmelnden Herabsetzung Homosexueller nicht verstehen will.


Schwule SPDler: Mit uns gibt’s keine Kanzlerin AKK!

Noble Anerkennung für AKK
Für die LSU, die man ob ihres Engagements in den vergangenen Jahren nur als tapfer und aufrecht loben kann, deren Mitstreiter*innen sich nicht entmutigen liessen, zu keiner Sekunde, ist die Parteivorsitzende als Gästin auf ihrem Empfang eine noble Anerkennung in parteiinterner Hinsicht. Ohne die LSU, das darf auch gern gesagt werden, wäre der Kampf um die Ehe für alle und damit die Eroberung des wichtigsten Symbols von Geschlechterpolitik in jeder bürgerlichen Gesellschaft, nicht so gelungen. Grüne und SPD und Linkspartei und FDP – sie repräsentieren das liberale Deutschland als solches, erst die LSU gab der Emanzipation von heteronormativen Privilegien konservativ fundiertes Gewicht.

Der Religionsstaat ist längst abgeschafft
Aber es bleibt eine Tragödie: Dass die Konservativen (nicht nur) in Deutschland es einfach nicht schaffen, dem Recht auf sexuelle und familienpolitische Selbstbestimmung Geltung zu geben. Sie hängen alle noch alten, religiös geprägten Bildern an – Mutter und Vater und Kind(er), nichts sonst soll Respekt und Wertschätzung auf gleichberechtigte Weise erhalten. Überall in Europa murrt es aus dem politischen Spektrum gegen die Errungenschaften zugunsten der Rechte von LGBTIQ-Menschen: Weil es von ihnen angerufener Gott angeblich so will. Dabei ist der Religionsstaat längst abgeschafft; eine Republik, die nicht kirchenfern ist, kann ja keine sein.

Nur in wenigen Ländern ist für Konservative der Streit um die Ehe für alle keiner mehr. In Grossbritannien wurde das Projekt der Ehe für alle von einer liberalen Abgeordneten vor 15 Jahren lanciert, aber sie war Teil einer Koalition ihrer Partei mit den Konservativen, die das Projekt mit Premierminister David Cameron mittrugen. Und in Irland war es der selbst offen schwule Premierminister Leo Varadkar, der das Plebizit für die Ehe für alle flugs parlamentarisch umsetzen half. Irland, einst eines der homophobsten Länder Europas, ist inzwischen eines der liberalsten (MANNSCHAFT berichtete).


AKKs, um wieder auf sie zu sprechen zu kommen, ähnelt Politikern konservativer Art Ende des 19. Jahrhunderts, die die Forderung nach dem Wahlrecht für Frauen mit dem Hinweis auf deren ganz andere, politisch unzurechnungsfähige Biologie zurückwiesen. Sie hadert mit der Ehe für alle wie eine Betschwester, die nicht mal die Souveränität aufbringt, ihr Beten zur Privatsache zu erklären – und die Wünsche von Menschen, deren Lebensweisen sie nicht kennt, abzuwehren.

Das bringt die September-Ausgabe der MANNSCHAFT!

Sie will eigentlich einen religionsgesättigten Staat, sie will Schwule und Lesben nicht verfolgen, aber sie nicht so wertschätzen wie Heterosexuelle. Solange sie diese ihre Haltung nicht zur bürgerlichen Reife bringt und ihre privaten Gefühle zurückstellt, bleibt sie das, was sie für Lesben und Schwule immer schon war: eine Gefahr schlechthin.

*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.


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