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Das gemütliche Vilnius feiert Baltic Pride 2019

Unterwegs im Baltikum: Riga, Tallinn und Vilnius

Die «Baltic Pride» wird regelmässig in einer anderen baltischen Hauptstadt gefeiert, dieses Jahr in Vilnius. (Bild: IDAHOT CC BY-SA 2.0)

Riga, Tallinn und Vilnius, die Hauptstädte der drei baltischen Staaten, verströmen alle ihren ganz eigenen Reiz: Das leb­hafte Riga ist berühmt für sein pittoreskes Zentrum mit engen Gassen und prächtigen Jugendstilbauten. Tallinn fasziniert mit einer mittelalter­lichen Altstadt, die von einer zwei Kilometer langen Stadtmauer eingefasst wird. Und im gemütlichen Vilnius findet Anfang Juni die Baltic Pride statt.

Nach dem ersten Weltkrieg erlangten die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen ihre Unabhängigkeit. Die Freude währte allerdings nicht lange, denn bereits 1939 gelangte das Baltikum erneut unter sowjetische Oberhoheit. Viele Balt*innen flohen daraufhin in den Westen. Diejenigen, die blieben, wurden von den Besatzern massiv unterdrückt.

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In den Fünfzigerjahren befanden sich rund zehn Prozent der baltischen männlichen Bevölkerung in sowjetischer Gefangenschaft. Am 23. August 1989 kam es zu einem historischen Ereignis, das den Weg in die Unabhängigkeit ebnen sollte. Mehr als zwei Millionen Menschen aus allen drei baltischen Staaten bildeten eine über 600 Kilometer lange Menschenkette, die von Tallinn über Riga bis nach Vilnius reichte. Im darauffolgenden Jahr erklärten alle drei Länder ihre Unabhängigkeit. Seit 2004 gehören die baltischen Staaten zur Europäischen Union.

Der Dom und die prächtige Kathedrale sind die Wahrzeichen des Dombergs von Tallinn. (Bild: Andreas Gurtner)

Mittelalter trifft auf Gegenwart
Die estnische Hauptstadt Tallinn liegt an der rauen Ostsee und ist vor allem für ihre von einer Stadtmauer umschlossene, kopfsteingepflasterte Altstadt bekannt. Ein idealer Ausgangspunkt, um die engen Gassen des Zentrums zu entdecken, ist der historische Rathausplatz. Im Sommer laden hier zahlreiche Restaurants und Cafés zum gemütlichen Verweilen unter Sonnenschirmen ein. In der Adventszeit verwandelt sich der Platz jedoch in einen magischen Weihnachtsmarkt.


Markantestes Gebäude am Platz ist das gotische Rathaus aus dem 13. Jahrhundert mit seinem über 60 Meter hohen Turm. Diesen kann man fast von der ganzen Stadt aus erblicken, so dass man stets wieder zum Ausgangspunkt zurückfindet. Vom Rathausplatz führt eine steile Strasse auf den Domberg, auf dem der dänische König Waldemar II. bereits im 13. Jahrhundert mit dem Bau einer Kirche begann. Heute stehen hier nicht nur der Tallinner Dom, sondern auch die prächtige orthodoxe Alexander-Newski-Kathedrale und die sogenannte «Dicke Margarethe». Bei Letzterer handelt es sich um einen Wehrturm, der sich am höchsten Punkt der Altstadt befindet und von dem aus man eine atemberaubende Aussicht über ganz Tallinn geniessen kann. Um die Stadt vor feindlichen Eroberern zu schützen, wurde im Mittelalter eine mächtige Befestigungsanlage um das Zentrum errichtet. Dank dieser noch heute intakten Mauer ist Tallinn während der Weltkriege fast ganz erhalten geblieben. Deshalb zählt Estlands Hauptstadt bis heute zu den authentischsten mittelalterlichen Städten Europas.

Jenseits der dicken historischen Mauern ist es reizvoll, mehr vom modernen Tallinn zu erfahren. Hier lebt der Grossteil der rund 430 000 Einwohner. Direkt an die Altstadt schliesst sich das ehemalige Arbeiter- und heutige Szeneviertel Kalamaja mit seinen vielfarbigen Holzhäusern an. Hippe Cafés, Bars und Galerien haben diesem Teil der Stadt in den letzten Jahren viel neues Leben eingehaucht, was dazu beigetragen hat, dass Kalamaja heute bei Kreativen und Jungen besonders beliebt ist. Gleich daneben befindet sich Tallinns geschäftiger Hafen, von dem aus regelmässig Fähren nach Helsinki, Stockholm und St. Petersburg ablegen.

Gay Life
Homosexuelle Handlungen wurden in Lettland und Estland 1992, in Litauen 1993 entkriminalisiert. Zuvor war nach sowjetischem Strafrecht gemäss Paragraf 121 Analverkehr zwischen Männern im gesamten Baltikum strafbar. Auch wenn sich die Gesetzeslage zum Besseren geändert hat, gelten die baltischen Staaten immer noch als weniger offen gegenüber LGBTIQs als die meisten anderen Länder der EU. In Lettland und Litauen werden gleichgeschlechtliche Partnerschaften bis heute nicht gesetzlich anerkannt. Nach einer Gesetzesänderung 2005 sind in Lettland Ehen zwischen zwei Personen des gleichen Geschlechts sogar kategorisch ausgeschlossen. Seit 2016 können sich gleichgeschlechtliche Paare in Estland eintragen lassen, allerdings bleiben ihnen die Leihmutterschaft und die Adoption verwehrt. Mittlerweile verfügen alle baltischen Staaten über Gesetze, die eine Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund der sexuellen Ausrichtung verbieten – allerdings nur auf Druck der EU. Das lettische Parlament hatte zuvor jegliche Anpassungen mehrmals abgelehnt, doch konnten drohende Strafzahlungen im Endeffekt wohl den einen oder die andere Gesetzesvertreter*in umstimmen. Eine überschaubare Gay­szene findet man insbesondere in Riga, aber auch in Vilnius und Tallinn. In Riga ist der «Top Club» in unmittelbarer Nähe zur Altstadt eine der besten Adressen für eine ausgiebige Partynacht. Die «Baltic Pride» wird jährlich in einer anderen baltischen Hauptstadt gefeiert, dieses Jahr in Vilnius.


Eine Stadt, viele Facetten
Riga, die Hauptstadt Lettlands, ist mit rund 700 000 Einwohnern die bevölkerungsreichste Stadt des Baltikums. Hier wurde der deutsche Filmemacher Rosa von Praunheim geboren. Im historischen Zentrum, das zum Weltkultur­erbe der Menschheit zählt, hat man jedoch nicht das Gefühl, sich in einer modernen Grossstadt zu befinden. Hier geht es in den Gassen und auf den Plätzen gemütlich zu und her, so dass man in Ruhe die unter Denkmalschutz stehenden Jugendstilgebäude bewundern kann. Zum Pflichtprogramm gehört ein Besuch der aus Backstein errichteten Petrikirche, von deren Aussichtsplattform auf dem 72 Meter hohen Turm sich ein fantastisches Panorama über Riga bietet.

Der geschäftige Marktplatz bildet den Mittelpunkt von Rigas Altstadt.

Wer beim Entdecken des historischen Zentrums ein Hungergefühl verspürt, sollte den von farbigen Häusern gesäumten Livenplatz ansteuern – das wohl grösste Freiluftrestaurant Rigas. Hier reiht sich ein Restaurant an das nächste und hat man unzählige Möglichkeiten, Bekanntschaft mit der lettischen Küche zu machen. Letten mögen es gerne sauer und deftig. Deshalb prägen Gemüsesuppen, nahrhafte Gerichte wie graue Erbsen mit Speck, Fleischgerichte mit Kartoffeln und süsse Mehl- und Quarkspeisen die Speisekarten des Landes. Als Nationalgericht Lettlands gilt übrigens Putra, eine Spezialität aus Gerstengrütze mit Sauerrahm. Vom Livenplatz aus erreicht man anschliessend in wenigen Gehminuten Rigas Vorzeigeboulevard Brivibas iela, die mehr als zwölf Kilometer lange Freiheitsstrasse. Hier findet man nicht nur diverse Shoppingmöglichkeiten, sondern kommt auch an weiteren Monumenten wie dem Freiheitsdenkmal vorbei. Der 47 Meter hohe Obelisk, auf dessen Spitze eine Figur aus Kupfer steht, wurde 1935 in Gedenken an die in Freiheitskämpfen gefallenen Soldaten errichtet.

Der weitläufige Kathedralenplatz ist der bekannteste und älteste Platz in Vilnius. (Bild: Eugenijus Radlinskas)

Klein, aber fein
Litauens Hauptstadt Vilnius mag auf den ersten Blick klein und übersichtlich erscheinen, hat aber dennoch einiges zu bieten. Bei Besucher*innen ist vor allem die Altstadt mit ihrer Barockarchitektur beliebt. Zu den malerischsten Objekten der grössten Barockstadt nördlich der Alpen zählt die Kirche der Heiligen Peter und Paul, die im Jahr 1704 fertiggestellt und ganz in der Tradition des italienischen Barocks errichtet wurde. Von hier aus erreicht man anschliessend über einen stellenweise steilen Waldweg den Hügel der drei Kreuze, an dessen höchster Stelle sich ein beliebter Aussichtspunkt befindet.

Ob man sich hier oben nun frühmorgens vor dem Stadtrundgang einen Überblick über Vilnius verschaffen möchte oder abends auf diesen Hügel steigt, um den Sonnenuntergang zu geniessen: der Blick über die Dächer der Stadt ist zu jeder Tages- und Nachtzeit wunderschön. Zurück in den anmutigen Gässchen der Altstadt gelangt man früher oder später automatisch zum zentralen Rathausplatz. Dieser ist ringsum von historischen Häusern umgeben, in denen sich viele Restaurants und Cafés mit Freiluftterrassen befinden. Über die Strasse Pilies gatvė, die längste Shoppingmeile der Stadt, kann man anschliessend vom Rathausplatz bis zur weissen Kathedrale der Stadt hinunterschlendern. Diese ist zwar im Innern eher schlicht, doch lohnt es sich stattdessen, den separaten Glockenturm über eine Wendeltreppe zu erklimmen. Oben angekommen, lässt sich aus 57 Meter Höhe ein schöner Blick über den weitläufigen Kathedralenplatz werfen.

Pride im LGBT-feindlichsten Land der EU

Vom 4. bis 9. Juni wird hier dieses Jahr die Baltic Pride gefeiert, in deren Rahmen auch eine Konferenz über Menschenrechte stattfindet. Die Website von Vilnius Tourismus stellt eine queere Stadtkarte zum Download bereit mit einem Verzeichnis von über 50 LGBTIQ-­freundlichen Adressen. Das queere Festival «Kreivės» bietet Film- und Kulturhighlights und findet jährlich statt.

Der ausführliche Reisebericht ist im März-Heft der MANNSCHAFT erschienen.


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