in

LGBTIQ-Geflüchtete in Thessaloniki: Hamza

Das mit Menschen überladene Boot befand sich auf offener See, als es sich immer mehr mit Wasser füllte. Um Hamza herum brach allmählich Panik aus, denn nur die Wenigsten konnten schwimmen. Glücklicherweise hatte die griechische Küstenwache das Boot entdeckt. Die Flüchtlinge befanden sich bereits in EU-Gewässern, die griechische Insel Lesbos war nur noch zwanzig Minuten entfernt.

Hamza stammt aus Beni Mellal, einer Stadt mit knapp 200 000 Einwohnern im Landesinneren von Marokko. Der Ort gilt als Marktzentrum für den Obst- und Gemüsehandel der Region, nach der obligatorischen Schule war Hamza vor allem in der Landwirtschaft tätig.

Der 24-Jährige spricht mit sanfter Stimme und gesenktem Kopf, die Augen stets auf den Boden gerichtet. Seine Arme sind gesäumt von grossen und kleinen Narben. Die grossen stammen von Schnittwunden, die ihm Männer aus der Nachbarschaft und Familienmitglieder aus Hass beibrachten, die kleinen von Verletzungen, die er sich aus Wut und Hilflosigkeit mit einer Rasierklinge selbst zufügte. Für seine Zierlichkeit hatte Hamza oft Schläge kassiert, als er immer mehr Zeit mit seinem Freund verbrachte, nahmen die Beschimpfungen und die Gewalt zu. «Mein älterer Bruder ist der einzige, der mich akzeptiert», sagt er. Mit ihm steht er heute regelmässig noch in Kontakt.


Hamza war 19 Jahre alt, als ihn seine Familie beim Sex mit dem Freund erwischte. Mit Messern und Schlägen ging sie auf die beiden los, dabei brachen sie Hamzas Arm und fügten ihm und seinem Freund schwere Schnittwunden zu. Hamza floh ins 200 Kilo­meter entfernte Marrakesch, wo er sich in einem Krankenhaus verarzten liess.

Schwule Freunde in Frankreich ermunterten Hamza zur Flucht nach Europa. «In Marokko wird es nie besser», sagten sie ihm. Er zog bei einem Freund in Marrakesch ein und verkaufte seinen Körper an Touristen, um sich über Wasser zu halten und Geld für die Flucht zu sparen. Nach fast zwei Jahren war es endlich soweit. Hamza beantragte einen Reisepass und buchte einen Flug in die Türkei.

Die Reise in die Türkei und die Überfahrt nach Lesbos bestritt Hamza mit einem guten Freund. Die beiden waren kaum ein Monat im Flüchtlingscamp, als sie von anderen Geflüchteten beschimpft wurden. Auch einige Polizisten machten Probleme. «Marokkaner wie euch wollen wir hier nicht», sagten sie ihnen und schlugen mit Fausthieben auf sie ein. Der Angriff war so brutal, dass Hamzas Freund seinen Verletzungen erlag.


«Wir kamen hierher, weil wir nicht wussten, was wir sonst tun sollten.»

Der Vorfall brachte die UNO dazu, Hamza als besonders verletzlichen Flüchtling anzuerkennen. Gemeinsam mit anderen LGBTIQ-Geflüchteten konnte er eine Wohnung beziehen. Doch die Flüchtlingswelle dauerte an, es kamen immer mehr Geflüchtete in Griechenland an und nach einem Jahr erhielten Hamza und seine Mitbewohner*innen die Kündigung. «Man sagte uns nicht, weshalb wir gehen mussten», sagt Hamza.

Von Freunden hörte er, dass sich Eclipse um LGBTIQ-­Geflüchtete in Thessaloniki kümmert. «Wir kamen hierher, weil wir nicht wussten, was wir sonst tun sollten.»¨

Seither sind zehn Monate vergangenen und Eclipse konnte Hamza eine Wohnung vermitteln. Ähnlich wie die anderen Flüchtlinge bei Eclipse will sich der Marokkaner nicht auf eine Lieblingsaktivität bei der Supportgruppe beschränken. Es ist das erste Mal im Gespräch, dass etwas wie ein Lächeln über sein Gesicht huscht. «An Eclipse gefällt mir einfach alles», sagt er. «Sie haben mir eine Wohnung beschafft, mir Essen gegeben und einen Anwalt vermittelt. Als ich krank war, haben sie mich ins Krankenhaus gebracht.»

Gegenwärtig ist Hamza fleissig daran, Griechisch zu lernen. «Ich habe gehört, dass das Rote Kreuz Dolmetscher sucht. Das würde ich gerne machen», sagt er. Er wäre auch bereit, wieder im Verkauf von Gemüse oder auf dem Feld zu arbeiten. «Das ist mir egal, solange ich in Freiheit leben kann.»


Redaktor Greg Zwygart hat Eclipse in Thessaloniki besucht und sich von der Supportgruppe überzeugen können. Bis 31. August 2018 sammelt die Mannschaft Geld, um Eclipse bei der Arbeit zu unterstützen. Jeder Betrag hilft: Sei es, um den Fahrpreis für den Bus nach Thessaloniki zu bezahlen, sei es für das Bereitstellen von Lebensmitteln oder das Organisieren von Unterkünften. Hier gehts zu unserer Spendenkampagne.

Mehr Porträts liest du hier: mannschaft.com/eclipse


Andreas Lehner wird neuer Geschäftsführer der Aids-Hilfe Schweiz

Der ESC 2019 in Israel scheint gerettet