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Eine Kryptowährung für die LGBTIQ-Community

Der LGBT-Token wird digital gehandelt und soll für gemeinnützige Zwecke eingesetzt werden.

Die Kryptowährung «LGBT-Token» ist ab Ende April erhältlich und soll gemeinnützige Projekte für die Community finanzieren, vom Start-up über lokale Prideveranstaltungen bis hin zur Rettung verfolgter Menschen.

Es klingt utopisch: Wenn die gesamte LGBTIQ-Community weltweit mit einer digitalen Währung ihre Einkäufe tätigen würde, können zusätzlich Gelder für Community-Projekte generiert werden. «Somit könnte zum Beispiel einer jungen trans Unternehmerin in Berlin geholfen werden oder den verfolgten Schwulen in Tschetschenien», sagt Christof Wittig vom «LGBT Token» gegenüber der Mannschaft. Würde man die gesamte LGBTIQ-Community weltweit als Bevölkerung eines Landes zählen, so hätten sie eine geschätzte Kaufkraft von 3,4 Billionen Euro und kämen nach den USA, China und Japan an vierter Stelle. «Diese Kaufkraft gilt es zu bündeln.» Der Ausdruck «Pink Dollar» soll also keine symbolische Bezeichnung mehr sein, sondern zur greifbaren Währung werden.

Blockchain statt Banken
Möglich machen soll es der «LGBT-Token», eine neue Kryptowährung, die für akkreditierte Investor*innen ab April erhältlich sein wird. Sobald der Token als Zahlungsmittel einsatzfähig ist, soll die Initial-­Coin-Offering ICO – die erstmalige Kapitalaufnahme – stattfinden.

Der LGBT-Token operiert nach dem für Kryptowährungen grundlegenden Prinzip der Blockchain-­Technologie. «Man kann sich Blockchain wie eine Exceltabelle vorstellen», sagt Wittig. Damit werden Transaktionen von registrierten Nutzer*innen verifiziert und aneinandergekettet, daher Blockchain. Wie ein elektronisches Kassenbuch, das allerdings nicht zentral gespeichert wird und auch nicht im Nachhinein verfälscht werden kann. Die klassische Rolle der Bank als überprüfende Instanz fällt somit weg.


Mit dem Token als Zahlungsmittel sollen Mitglieder der Community Dienstleistungen und Produkte in Anspruch nehmen können, vom Flugticket und der Hotelübernachtung bis hin zum Cappuccino im Café um die Ecke.

Mitwirkung der Community gefordert
Damit der LGBT-Token als neue Währung abhebt, muss er von möglichst vielen Menschen und Unternehmen als Zahlungsmittel benutzt und akzeptiert werden. Um bei der Community die Werbetrommel zu rühren, begaben sich Christof Wittig und sein Team im Februar auf eine Promotour durch Europa mit Stopps in London, Paris, Berlin und Barcelona. Im März folgten weitere Events in Asien.

Wittig ist gebürtiger Deutscher, lebt aber seit vielen Jahren in den USA und ist CEO der schwulen Dating-App «Hornet». Um das Interesse am LGBT-Token zu fördern, soll jeder registrierte Nutzer von Hornet einen kostenlosen Token erhalten, den er in der Geldbörse seiner App verwalten und zum Beispiel für die Bezahlung seines Premiumabos einsetzen kann. Mit angeblich 25 Millionen registrierten Hornet-Nutzern erhofft sich Wittig einen kräftigen Startschub für die digitale Währung.
Er versichert aber, dass der LGBT-Token nicht von Hornet vertrieben werde, sondern eine komplett unabhängige Stiftung sei. Herausgeberin der Kryptowährung ist die Non-­Profit-­Organisation «LGBT Foundation», die am 12. Januar dieses Jahres gegründet wurde.


Wir wollen keine Spekulationen, sondern Projekte für die Community.»

Weniger spekulativ als Bitcoin
Um den LGBT-Token zu lancieren, werden in einem ersten Schritt eine Milliarde Tokens generiert. Bei der kommenden ICO im April sollen 20 % davon verkauft werden, um Kapital für die Infrastruktur zu sammeln. LGBT-­Tokens werden auf einer Plattform gehandelt, die auf der Ethereum-Technologie beruht. Weitere 38 % der Tokens sollen über die partizipierenden Unternehmen in Umlauf gebracht werden, um der Kundschaft den Gebrauch der neuen Währung schmackhaft zu machen – zu vergleichen etwa mit der Hornet-­App, die ihren 25 Millionen Nutzern je einen Token schenken wird. Die Stiftung wird jährlich bis zu 1 % der Tokens neu generieren, um so die wohltätigen Projekte innerhalb der Community voranzutreiben.

Die Plattform Ethereum ist eine Alternative zum Konzept von Bitcoin. Eine Bitcoin-­Transaktion nimmt zehn Minuten Rechenleistung in Anspruch – ein Energieverbrauch, der heftig umstritten ist. Eine Transaktion dauert über die Ethereum-Plattform lediglich zwölf Sekunden und ist somit um einiges ökologischer.

Gemäss Christof Wittig ist der LGBT-­Token aufgrund seiner Unterschiede zum Bitcoin weniger spekulativ. «Bei einer Bitcoin-­Transaktion werden neue Bitcoins geschürft. Das ist beim LGBT-Token nicht der Fall», erklärt er. «Die Anzahl der Tokens ist festgesetzt und wird nur jährlich um 1 % gesteigert. Wir wollen keine Spekulationen, sondern ein Zahlungsmittel und nachhaltige Projekte für die Community realisieren.»

Der Experte rät zur Recherche
Um im Markt der Kryptowährungen mehr Transparenz zu schaffen, veröffentlichte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA im Februar eine Wegleitung. Sie unterscheidet zwischen drei verschiedenen Arten von Token: Zahlungstoken, die als eigentliche Kryptowährungen als Zahlungsmittel eingesetzt werden können, Nutzungstoken, die wie ein Gutschein ein Recht auf eine Dienstleistung oder ein Produkt begründen, und Anlagetoken, die einen Anspruch auf einen Vermögenswert belegen, beispielsweise eine Aktie oder einen Kredit.

Bitcoin wird als Zahlungstoken eingestuft und ist gemäss Arnaud Masset, Analyst bei Swissquote, spekulativer als der LGBT-Token, der unter die Kategorie Nutzungstoken fällt. «Zahlungstoken sind direkte Konkurrenten für Zentralbanken. Diese werden ihr Recht, Geld zu drucken und zu kontrollieren, wohl nicht so schnell hergeben», sagt er auf Anfrage der Mannschaft. Da die Zukunft von Zahlungstoken eher ungewiss sei, gelte ihr Handel als eher spekulativ. Da der Wert eines Nutzungstokens wie der LGBT-­Token mit dem Anspruch auf ein Produkt oder eine Dienstleistung belegt sei, könne der Wert viel besser erkannt werden als bei einem Zahlungstoken.

Den LGBT-Token will Masset nicht kommentieren. Das Risiko, im Rahmen einer ICO in eine Kryptowährung zu investieren, sei überall gleich gross. «Investor*innen setzen ihr Geld auf ein Projekt, auf eine Idee. Etwas, das nur auf einem Stück Papier existiert», sagt Masset. «Die grösste Gefahr ist, dass ein Projekt nie umgesetzt wird.»

Masset empfiehlt, sich vor einer Investition gründlich mit einem Projekt auseinanderzusetzen und das Whitepaper zu studieren. Ein Whitepaper ist ein in der Öffentlichkeitsarbeit gängiges Dokument, das eine Übersicht über Leistungen, Standards und Technik gibt. Zudem gebe es weitere Fragen, die man sich stellen müsse, so Masset: «Welche Rechtsform steckt hinter dem Projekt, wie sieht das Team aus? Wie viele Token werden generiert? Wie realistisch ist der zeitliche Rahmen? Ist die Website qualitativ gut und übersichtlich, wie stark ist die Social-Media-­Präsenz?»

Das Whitepaper von LGBT-Token ist auf der Website der Stiftung abrufbar und enthält weitere Informationen rund um die ICO. Interessierte Investor*innen werden über den Newsletter auf dem neusten Stand gehalten. Christof Wittigs grösster Traum ist es, dass der LGBT-Token in der Community ankommt und als Zahlungsmittel akzeptiert wird: «So können wir Projekte aus eigener Kaufkraft finanzieren und so unabhängiger werden von anderen Geldgebern.»


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