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«PrEP wird zu sehr gefeiert»

Am Montagabend findet im Theater des Westens die alljährliche Gala „Künstler gegen AIDS statt. Den Abend moderieren Jochen Schropp und Daniel Boschmann, die Schirmherrschaft haben Judy Winter und Klaus Wowereit. Zu den Künstlern, die auftreten, gehören u. a. Baccara, Klaus Hoffmann und Irmgard Knef. Hinter der Kunstfigur steckt der Berliner Schauspieler Ulrich Michael Heissig.

Uli, Du bist das erste Mal 1996 als Irmgard Knef aufgetreten – vor über 20 Jahren. Hättest Du gedacht, dass diese Figur so lange trägt?
Die Figur hat mich ja angeweht, ich hab sie nicht gesucht, sondern gefunden. Es war erstmal nur ein Gag, ich wusste aber von Anfang an, dass Potential dahintersteckt und hab das immer weiter gemacht. 1999 wurde ich entdeckt und der mediale Durchbruch kam dann 2000 mit Talkshows und Interviews. Seitdem gibt es Irmgard Knef in der Öffentlichkeit, vorher bin ich damit in der Subkultur auftreten, in der Kreuzberger Anarchoszene, im SchwuZ, dann kam das schwule Straßenfest und so weiter.

Gibt es für Dich manchmal den Punkt, dass man sie loswerden will und genug von ihr hat?
Da komme ich auch hin, ja. Es ist ja mein Alter Ego einerseits, andererseits ist es auch meine Kreation. Auch das hat lustige Komponenten. Weil ich oft bei eigenen Aftershowparties nicht reinkomme, weil mich die Türsteher nicht erkennen, wenn ich abgeschminkt bin. Dann muss ich beweisen, dass ich es bin. Das ist dann schade. Aber ich kann noch relativ unbehelligt durch die Straße gehen.


Irmgard Knef
Ulrich Michael Heissig (Foto: Robert Recker)

Die Fiktion der Zwillingsschwester funktioniert also ziemlich gut.
Ja, manchmal kommen Leute zu mir und sagen: Das ist ja ganz schön gemein von der Hildegard, dass sie die Irmgard immer im Schatten gehalten hat, aber man gönnt es der alten Frau jetzt, ihre späte Karriere. Es ist echt lustig, wie die Leute sich da etwas zusammenreimen auf diese Figur. Oft sagen sie auch: Sie machen sie ziemlich toll nach. Ich hab die Irmgard Knef schon im Fernsehen gesehen, und Sie sind da ziemlich nahe dran.

Du trittst als Irmgard Knef schon seit vielen Jahren bei Benefizveranstaltungen im Kampf gegen HIV & AIDS auf. Aber bei „Künstler gegen AIDS“ ist es jetzt eine Premiere.
Stimmt, ich mache sehr viel, auch in anderen Städten. Beim Life Ball in Wien war ich schon, aber hier bei der Berliner Gala war ich nicht dabei. Hat sich aus organisatorischen Gründen nicht ergeben. Genau genommen ist das jetzt sogar eine Berlin-Premiere.

Warum ist Dir das Thema AIDS wichtig?
Ich hatte meine heiße Phase, als es mit der AIDS-Krise losging. Ich war damals jung, als mir meine Freunde oder Partner oder Sexpartner weggestorben sind wie die Fliegen, und das prägt einen natürlich sehr. Und wenn man heute in bestimmte Läden geht, sieht man einen recht sorglosen Umgang der jüngeren Generation. Das finde ich mindestens befremdlich und z.T. auch fahrlässig.


Viele Schwule nehmen PrEP. In vielen Ländern wie etwa Schweden übernehmen die Krankenkassen die Kosten. HIV-Aktivisten fordern das auch in Deutschland. Ist PrEP für Dich ein Thema?
Im Sinne eines Solidargedanken muss ich sagen, dass ja so eine PrEP-Medikation nicht billig ist und wenn Menschen eine HIV-Infektion in Kauf nehmen, weil es ja die PrEP gibt- damit sie so sorglos wie möglich Sex haben können, (wer will das nicht)– das finde ich dann aber unglaublich egoistisch in einer Solidargemeinschaft, mit so einer teuren Medikation (es gibt seit Anfang des Monats Ansätze für eine deutlich günstigere PrEP). Und es ist ja auch nur eine Prävention gegen HIV, nicht gegen andere sexuell übertragbare Krankheiten. Das kommt noch hinzu. Die Raten bei Infektionen mit Syphilis und Tripper steigen wieder, weil viele ohne Gummi poppen. Da hört es auf für mich.

Sex hat was mit Verantwortung gegenüber dem Partner zu tun

Was bedeutet Sex für Dich?
Ich finde Sex hat was mit Verantwortung zu tun gegenüber dem Partner – ob man ihn nun kennt oder ob es anonym ist. Man muss immer auch diese Verantwortung mitdenken. Und oft geht die flöten aufgrund von einer Mischung aus Geilheit und Egoismus. Es ist gut, dass HIV nicht mehr diese Bedrohung ist von einst und dass die Leute entspannt umgehen damit, aber jetzt alles auf die PrEP setzen und sagen, alles ist wunderbar – so einfach ist es nicht. Ich finde, das müsste man auch noch stärker herausarbeiten an manchen Stellen in der AIDS-Prävention. Das wird zu sehr gefeiert, finde ich.

Wie gehst Du mit dem Thema Safer Sex um?
Ich könnte mit über 50 jetzt hingehen und sagen, ich will nochmal richtig Spaß haben und alle (Gummi-)Hüllen fallen lassen – im wahrsten Sinne des Wortes. Mache ich aber nicht. Ich spreche das Thema HIV und den Schutz vor Krankheiten mit dem jeweiligen Sexpartner im Vorfeld an. Vielleicht kann man da was bewirken.

Die Deutsche AIDS-Hilfe will bis 2020 das Ende von AIDS erreichen. Bedeutet: Es soll dann niemand mehr daran erkranken. Wird es diese Gala vielleicht in 5 Jahren gar nicht mehr geben? Vielleicht auch, weil es schwerer wird, angesichts der medizinischen Fortschritte Aufmerksamkeit für den Kampf gegen HIV und AIDS zu erreichen?
Wenn es die Gala nicht mehr geben müsste, weil die Krankheit endgültig besiegt ist, dann fände ich das wunderbar. Wenn es sie nicht mehr gibt, weil sich immer weniger Ehrenamtliche finden, die sich engagieren und die den Kampf aufrechterhalten, dann wäre das furchtbar.


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