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Sven Lehmann: «Der Kampf gegen Diskriminierung geht weiter»

Wir stecken mitten in der Pride-Saison: Den CSDs wird ja manchmal vorgeworfen, sie seien zu schrill.
Diese Debatte, ob sich Schwule und Lesben stärker anpassen sollten, ist ja nicht neu. Ich sehe das komplett anders. Die Anpassung an einen wie auch immer gearteten Mainstream ist der Verrat an der Emanzipationsbewegung. Ich möchte, dass Menschen bunt sind und queer und schrill auftreten können, weil das Leben halt eben auch bunt und schrill und queer ist. Wenn wir uns anpassen würden und anfangen uns einzurichten in der bürgerlichen Bequemlichkeit, das wäre die Selbstaufgabe der Bewegung.

[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]Der Schub für unsere Emanzipation kam nicht durch Anpassung und Spießigkeit, sondern durch Aufstand.[/perfectpullquote]
Beim CSD in Stuttgart sollte gar eine Jury darüber wachen, dass es nicht zu viel Nacktheit gibt.
Nacktheit ist etwas Natürliches. Außerdem sind doch gerade CSDs und die Emanzipationsbewegung Orte, wo sexuelle Vielfalt gezeigt und auch gelebt werden sollte. Da bin ich extrem für Offenheit. Wenn man darüber nachdenkt, wie die ganze CSD-Bewegung losgegangen ist: Das war ein Aufstand der Drag Queens in New York, da ging es um Schrillheit, Queerness, Lautsein. Wir sollten uns als LGBTIQ* immer wieder daran erinnern, woher der Schub für unsere Emanzipation kam – der kam nicht durch Anpassung und Spießigkeit, sondern durch Aufstand. Stonewall was a riot. Deswegen finde ich solche Debatten um Anpassung auch befremdlich.

Sven Lehmann
Kiss-In beim Internationalen Tag gegen Homophobie 2015: Sven Lehmann (re.) & Arndt Klocke

Manche sehen in dem Kampf von Schwulen und Lesben um die Eheöffnung auch einen Aspekt der Anpassung.
Alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens müssen gleichberechtigt für alle offen sein. Und Ehe für alle heißt ja nicht, dass jetzt alle heiraten müssen, sondern dass sie können, wenn sie wollen. Es gibt genügend Menschen, die das nicht wollen. Deshalb wollen wir ja auch Pakte für das Zusammenleben auch ohne Ehe ermöglichen.


Einer, der maßgeblich für die Gleichstellung gekämpft hat und dem jetzt viele das Verdienst zuschreiben, dass wir die Ehe für alle haben, ist Volker Beck. Sie treten in seinem Wahlkreis an. Unterstützt er Sie im Wahlkampf?
Volker Beck sitzt seit 23 Jahren für die Grünen im Bundestag, er ist eine zentrale Stimme der Emanzipationspolitik und im Parlament Vater der rechtlichen Gleichstellung von Lesben und Schwulen. Ohne ihn wären wir heute nicht da, wo wir jetzt sind. Und ich freue mich persönlich für ihn, dass mit der Rehabilitation der Opfer des §175 und der Eheöffnung im Parlament noch zwei große Gesetze errungen wurden, die sehr stark mit seinem Namen verknüpft bleiben werden. Ich bin mir sicher, dass er auch weiterhin eine laute und wahrnehmbare Stimme bleiben wird, auch außerhalb des Parlamentes. Wir arbeiten seit vielen Jahren miteinander, in Köln und NRW. Ich habe andere Schwerpunkte als er, wie zum Beispiel die Sozialpolitik. Aber gerade in Emanzipations- und Gleichstellungsfragen ziehen wir sicher auch in Zukunft an einem Strang.

[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]Volker Becks starker Auftritt hat mich beeindruckt.[/perfectpullquote]
Ist es – rückblickend betrachtet – angesichts dieser Erfolge richtig, dass die Grünen in NRW ihm den sicheren Listenplatz verweigert haben?
Die Partei hat das damals so entschieden. Und in der Rede, die Volker Beck danach gehalten hat, gab es auch keinen Groll und keine Häme. Es war ein starker Auftritt, der mich beeindruckt hat. Er hat sich bedankt, dass die Grünen ihm die Gelegenheit gegeben haben, 23 Jahre im Bundestag zu sitzen und dort viel zu erreichen.

Sie kämpfen für den Einzug in den Bundestag, aber auch für ein gutes Abschneiden Ihrer Partei. Laut Umfragen reicht es derzeit rechnerisch aber nicht für Rot-Rot-Grün. Ist schwarz-grün eine Option für Sie?
Ich kämpfe für starke Grüne im nächsten Bundestag. Und für eine Regierung, in der die Grünen ihr Programm umsetzen können. Dazu gehören zentrale ökologische Fragen wie der Kohleausstieg und das Ende des Verbrennungsmotors. Dazu gehören aber auch mehr soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte und Friedenspolitik, etwa das Verbot von Rüstungsexporten in Krisenregionen. Mir fehlt gerade ehrlich gesagt die Phantasie, dass die CSU da mitmachen würde. Oder dass sie die Sanktionspraxis bei HartzIV abschafft, was ich sehr stark fordere, weil die Menschen hier oft entwürdigend behandelt werden. Demokratische Parteien müssen miteinander reden, aber es muss auch eine gemeinsame Richtung  bei einer Zusammenarbeit geben. Wenn es die nicht gibt, habe ich auch kein Problem damit, dass wir aus der Opposition heraus Druck für unsere Anliegen machen.



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