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LGBT-Delegation: Bye bye Washington! Hello, New York!

An unserem letzten Tag in D.C. wurde uns noch einmal viel geboten. Unter anderem wurde die Beziehung zwischen Glaube und Homosexualität eingehender diskutiert.

Das erste Treffen am Donnerstag letzter Woche stand ganz im Zeichen der Frage, wie Religion und Homosexualität zueinander stehen. Dies ist eines der Themen, mit dem sich das «Center for American Progress» (CAP) seit seiner Gründung im Jahr 2003 befasst. Das CAP ist ein progressiver Think Tank, deren Mitarbeiter an vielen Fronten tätig sind. Sie forschen, versorgen die Öffentlichkeit mit News und Informationen und betreiben Kampagnenarbeit sowie Lobbying, um die Einführung neuer Gesetze oder Verordnungen zu erreichen.

Religion von grosser Wichtigkeit
[quote align=’right‘]«Viele religiöse Menschen fürchten sich vor dem Verlust ihres Glaubens, wenn sie Homosexualität akzeptieren»[/quote]Dem Thema Glaube widmet sich das CAP mit grosser Hingabe. Religion sei äusserst relevant, sagte Sally Steenland, Leiterin der «Faith Group», gleich zu Beginn des Treffens. Mit ihrer Arbeit wollen die CAP-Mitarbeiter zum einen sicherstellen, dass die Leute nicht nur die schlechte und schädliche Auslegung der Bibel hören. Zum anderen wollen sie verhindern, dass die Religion als Freipass missbraucht wird, um LGBTI-Menschen zu diskriminieren. In mehreren Bundesstaaten wird zurzeit an Gesetzen gearbeitet, die Ungleichbehandlungen von LGBTI-Personen auf der Grundlage der Religionsfreiheit erlauben sollen. Das «CAP» beobachtet diese Entwicklungen und versucht, ihnen entgegenzuwirken. Schliesslich geht es Sally Steenland und ihrem Team auch darum, Religion und gleichgeschlechtliche Liebe in Einklang zu bringen. «Viele religiöse Menschen fürchten sich vor dem Verlust ihres Glaubens, wenn sie Homosexualität akzeptieren», sagt Sally Steenland. «Diesen Personen zeigen wir auf, dass das eine das andere nicht ausschliesst.»


Religiöse Verbündete
Im Gespräch wurde auch betont, wie wichtig es sei, religiöse Gemeinden für die LGBT-Bewegung zu gewinnen. Laut Sally Steenland ist die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe in den USA zu einem grossen Teil der Tatsache zu verdanken, dass sich religiöse Führer öffentlich dafür ausgesprochen hatten. Sie zeigte sich auch überzeugt, dass die Einstellung einer religiösen Gruppierung gegenüber LGBTI-Menschen vermehrt zu einem entscheidenden Kriterium für die Gewinnung von Nachwuchs werde. Junge Leute hätten zunehmend Mühe damit, wenn Kirchgemeinden Homosexuelle ablehnten.

Am Ende einer spannenden Diskussion wies Sally Steenland auf einen Punkt hin, der zuvor auch schon in anderen Gesprächen erwähnt worden war. Der Entscheid des Supreme Courts zur Öffnung der Ehe sei ein grosser Erfolg. Gleichzeitig dürfe man nicht vergessen, dass es noch viel zu tun gebe. So würden etwa in vielen Staaten noch keine Anti-Diskriminierungsgesetze für LGBTI-Menschen existieren. «Wir müssen mit viel Energie am Ball bleiben.»

Langfristig optimistisch
Als Nächstes stand ein ganz besonderer Termin auf dem Programm: In einem Konferenzraum im Department of State trafen wir Randy Berry, den ersten U.S.-Sonderbeauftragten für die Menschenrechte von LGBT-Personen. Er ist seit rund drei Monaten im Amt und hat in dieser kurzen Zeit schon diverse Länder besucht, um mit Regierungs- oder auch Kirchenvertretern den Dialog zu suchen. Dabei gehe es vor allem darum, eine erhöhte Sicherheit für LGBTI-Menschen zu erreichen und Diskriminierungen abzubauen. Bezüglich der allgemeinen Situation von Lesben, Schwulen, Bi-, Intersexuellen und Transpersonen zeigte sich Berry optimistisch. Die Situation sei zwar in vielen Ländern noch schwierig, doch insgesamt beobachte er eine positive Entwicklung: «Ich sehe einen unumkehrbaren Trend in die richtige Richtung.» Er wies auch darauf hin, dass ein langfristiger Wandel nicht «von oben herab» herbeigeführt werden könne, sondern dass Veränderungen «unten» in der Zivilgesellschaft stattfinden müssten.


Im Rahmen des Gesprächs mit Randy Berry durften wir auch mit SRF-Korrespondent Beat Soltermann sprechen und ihm ein Interview zum IVLP geben. Der Beitrag wurde wenig später im Format «Echo der Zeit» ausgestrahlt, worüber wir uns sehr freuten. An dieser Stelle ein grosses Dankeschön!

Die Human Rights Campaign – eine Erfolgsgeschichte
Den letzten Stopp in Washington D.C. legten wir bei der Human Rights Campaign (HRC) ein. Das Ziel der HRC ist die vollständige Gleichberechtigung von U.S.-amerikanischen Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transpersonen. Seit ihrer Gründung im Jahr 1980 ist sie zur grössten LGBT-Organisation in den Vereinigten Staaten geworden und verfügt mittlerweile über 1,5 Millionen Mitglieder.

Eines der wichtigsten Tätigkeitsfelder der HRC ist das Lobbying. In der Vergangenheit war sie zum Beispiel aktiv an der Einführung des «Matthew Shepard Acts» beteiligt. Zurzeit lobbyiert die HRC unter anderem für die Schaffung eines Anti-Diskriminierungsgesetzes für LGBTI-Personen am Arbeitsplatz oder für das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare.

Business-Check
Des Weiteren nimmt die HRC die Businesswelt genauer unter die Lupe und prüft U.S.-amerikanische Unternehmen auf ihre LGBT-Freundlichkeit. Zu diesem Zweck erstellt sie jährlich den sogenannten «Corporate Equality Index». Dieser bewertet die untersuchten Firmen gemäss einem bestimmten Kriterienkatalog und kürt jedes Jahr diejenigen Arbeitgeber, die für Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transpersonen am attraktivsten sind. «Wir zeigen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um LGBT-freundlich zu sein», erklärte uns Deena Fidas, die Leiterin des Programms «Gleichberechtigung am Arbeitsplatz». Für den Erfolg eines Unternehmens sei es heutzutage wichtig, als tolerant und offen wahrgenommen zu werden, führte Deena aus. «Das lockt talentierten Nachwuchs an.» Unterdessen würden viele Firmen die HRC um Rat ersuchen, damit sie die eigene Unternehmenskultur entsprechend gestalten können.

Adios, D.C.
Nach einem aufschlussreichen Gespräch bei der Human Rights Campaign war es so weit: Wir fuhren zum Bahnhof und bestiegen voller Vorfreude den Zug Richtung New York. Irgendetwas stimmte dann aber mit dem Motor der Lokomotive nicht und wir steckten noch eine Stunde im Bahnhof fest. Halb so wild, der Zug war mit WiFi ausgestattet, sodass wir die Zeit sinnvoll nutzen und vergnügt auf Facebook rumsurfen und uns Katzenvideos reinziehen konnten. Danach lief alles rund, die Zugfahrt im Amtrak-Zug war äusserst angenehm (die Beinfreiheit? Ein Traum!). Bald schon sassen wir wenige Blocks vom Time Square entfernt in einem ausgezeichneten Burger-Restaurant und genossen sowohl das Essen als auch die angenehm elektrisierende Atmosphäre Manhattans. Perfekter Ausklang des Tages war ein gemütlicher Spaziergang durch den Central Park.


Das volle Programm in D.C. und eine Stippvisite in der Heimat

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