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Neue Doku: Uganda als Paradies für Homo-Hasser

Die Doku «God Loves Uganda» zeigt, wie die Hetze gegen Homosexuelle in Uganda mit christlichen Missionaren zusammenhängt. Am 21. Juni wird der Film in Zürich gezeigt.

Gott habe sie von ihrer lesbischen Neigung geheilt: Die Missionarin Joanna Watson.
Gott habe sie von ihrer lesbischen Neigung geheilt: Die Missionarin Joanna Watson.
(ads*) – Der weltweite Aufschrei war riesig, als in Uganda das Anti-Homosexuellen-Gesetz in die parlamentarische Beratung gelangte und schliesslich in Kraft gesetzt wurde. Das Gesetz sieht nicht nur lebenslange Haftstrafen für Homosexuelle vor. Viel mehr zwingt es sämtliche Bürgerinnen und Bürger von Uganda unter Androhung von Strafen den Behörden zu melden, wenn sie homosexuelle Handlungen mitbekommen. Die lokalen Medien veröffentlichten denn auch bereits mehrmals hetzerische Artikel, in welchen sie «führende Homos» auf ihren Titelseiten teilweise mit Fotos, Adressen und Namen abdruckten und laut mehreren Medienberichten wurden bereits Menschen aufgrund ihrer vermeintlichen Homosexualität angeklagt.

Doku zeigt Missionierung als Ursprung von Homophobie
Doch wie konnte es zu einem solchen Gesetz kommen? Der amerikanische Regisseur Roger Ross Williams hat sich intensiv mit der Entstehungsgeschichte des Anti-Homosexuellen-Gesetzes auseinandergesetzt und in seinem Dokumentarfilm «God Loves Uganda» festgehalten. Unterstützung erhielt Williams unter anderem von dem aus Zambia stammenden und heute in den USA lebenden Priester Kapya Kaoma. Dieser hatte in Uganda Recherchen zum Einfluss der amerikanischen Christen angestellt und musste aufgrund seines Einsatzes für LGBTs aus Uganda flüchten. Der Film kommt zu einem beängstigenden Schluss: Das Anti-Homosexuellen-Gesetz ist das Resultat jahrelanger Missionierung von US-amerikanischen Christen in Uganda.

Der Film beginnt mit den Worten von Kapya Kaoma, der davor warnt, dass etwas «Beängstigendes» in Uganda vor sich gehe. Etwas, was «das Potenzial hat, Uganda zu zerstören.»


Szenenwechsel hin zur «International House of Prayer»-Kirche in Kansas City, Missouri, USA. Begleitent von poppiger Musik preisen junge Menschen tanzend den lieben Gott. Von diesen jungen Menschen werden viele in die Welt reisen, um dort die frohe Botschaft über Gott und Jesus Christus zu verbreiten. So auch nach Uganda. Eine dieser Missionarinnen bezeichnet Uganda freimütig als strategisch enorm wichtig, weil in diesem Staat 50% der Bevölkerung unter 15 Jahren alt sei. Und so haben es sich die jungen Missionare, finanziert von westlichen Spendengeldern, zum Ziel gesetzt, möglichst viele Kinder und Jugendliche für das Christentum zu gewinnen. Das Kamerateam begleitete die Missionarinnen nach Uganda und zeigen sie bei ihrer Arbeit: So sitzen in einer Szene freundliche Missionarinnen in einem Kreis mit ugandischen Kleinkindern und singen «Baby Jesus, I love you, you are my savoir» (Baby Jesus, ich liebe dich, du bist mein Retter).

Rückblende: Im Jahre 2003 verstärkte die US-Regierung unter Präsident George W. Bush ihren Kampf gegen AIDS in Afrika. Dabei krempelt die Bush-Regierung die zuvor von der Bill Clinton Regierung erfolgreiche Strategie zur Reduzierung von neuen HIV-Infektionen komplett um. Während in den Clinton Jahren Kondome als effektiver Schutz gegen Neuansteckungen propagiert wurde – und auch erfolgreich war – begann die Bush-Regierung Enthaltsamkeit als wirksamstes Verhütungsmittel zu propagieren. «Es ist wichtig, dass wir ihnen nicht nur Geld, sondern auch Werte zukommen lassen, die funktionieren», bringt ein republikanischer Kongressabgeordneter die Strategie auf den Punkt. Während die Konservativen ihre Enthaltsamkeitsstrategie für Uganda als Erfolg bezeichneten, berichtet Kaoma von Ärzten, die sagen, dass das einzige, was Enthaltsamkeitskampagnen Uganda bringen würden, seien Gelder aus der USA.

Afrika als «Abfalleimer» für extreme Ideen


Der Film zeigt, wie Uganda immer mehr in den Fokus von christlichen Missionaren rückte. So auch für jene, die es auf Homosexuelle abgesehen hatten, wie der ultrakonservative Amerikaner Scott Lively. Lively begann Vorträge in Uganda zu halten, in denen er eindringlich vor Homosexualität warnte. Er warnte davor, dass Homosexuelle es auf Kinder abgesehen hätten. Weiter warnte er davor, dass Homosexuelle die Herrschaft über die UNO und über die USA übernommen hätten und nun nach Uganda kämen, um Kinder homosexuell zu machen. Lively bete dafür, dass Uganda das erste Land der Welt werde, das Homosexuelle stoppen würde. «Ich war schockiert, wie das Publikum reagierte. Sie glaubten alles, was er sagte» berichtet Kaoma. «Er sagte Dinge, die er in den USA nicht hätte sagen können. Afrika wurde zum Abfalleimer seiner extremen Ideen.»

Scott Lively verbreitete seine homophoben Ansichten nicht nur an Vorträgen, sondern auch in TV-Sendungen – und auch im Parlament. «In den USA ist er ein niemand, aber in Afrika wird dieser Extremist als Sprachrohr amerikanischer Evangelisten gesehen», fasst Kaoma die Rolle von Lively zusammen. Lively bekam die Gelegenheit, während fünf Stunden vor dem ugandischen Parlament zu sprechen. Eine Woche nach diesem Auftritt wurde das berüchtigte Anti-Homosexuellen-Gesetz entworfen. Als dieses Gesetz ins ugandische Parlament kam, jubelten, tanzten und sangen die Parlamentarier vor Freude über die Vorlage.

Schon nur die Auswirkungen der eingebrachten Gesetzesvorlage waren enorm. Die Bevölkerung signalisierte ihre Unterstützung für das Gesetz durch Demonstrationen. Während US-Präsident Barack Obama sich mit deutlichen Worten an Uganda wandte und eindringlich davor warnte, das Gesetz in Kraft zu setzen, hetzten Prediger in Uganda gegen die westliche Einmischung, die Homosexualität in Uganda propagieren wollte. In den Kulturkampf schalteten sich auch westliche Konservative ein. Die Spenden von westlichen Kirchen verdreifachten sich, wie ein ugandischer Parlamentarier in einer TV-Sendung berichtete. Amerikanische Konservative wie der berüchtigte Lou Engle (gegen dessen Auftritt in Genf eine von der Mannschaft unterstützte Petition lanciert wurde) reisten nach Uganda, um an Grossveranstaltungen und Predigten die ugandische Bevölkerung und das Parlament zu ermutigen, an der Gesetzesvorlage fest zu halten.

Öffentliche Hetze gegen Homosexuelle
Lou Engle, dessen Organisation «The Call» in den USA bereits erfolgreich die Homo-Ehe in Kalifornien bekämpft hatte, schwor die Bevölkerung darauf ein, dem Druck nicht nachzugeben. «Ich habe erfahren, dass Nichtregierungsorganisationen, die UNO und UNICEF nach Uganda gekommen sind, um eine Agenda zu vermitteln, mit der die Kirchen von Uganda nicht einverstanden sind. Uganda ist somit zum Ground Zero geworden. Nicht weil ihr es gewollt habt, sondern weil Gott euch ausgewählt hat, um ein Zeichen dafür zu setzen, was richtig ist» predigte Engle an einer Kundgebung. Die christliche Missionarin Joanna Watson berichtete, wie Gott sie von ihrer lesbischen Neigung geheilt habe und befürwortet das Anti-Homosexuellen-Gesetz ausdrücklich.

Weil er Homosexuelle unterstützt, wurde Bischof Senyonjo von der Kirche exkommuniziert. (Links während einem Besuch an einer Schule).
Weil er Homosexuelle unterstützt, wurde Bischof Senyonjo von der Kirche exkommuniziert. (Links während einem Besuch an einer Schule).
Der Film lässt Christopher Senyonjo zu Wort kommen, der 24 Jahre lang Bischof einer Kirche war. Senyonjo erzählt, wie eines Tages Jugendliche bei ihm um Rat suchten, weil sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung belästigt worden waren. «Akzeptiert euch für wen ihr seid», antwortete der Bischof. Seine Kirche akzeptierte das nicht. Er müsse die Jugendlichen verurteilen, habe die Kirche zu ihm gesagt. «Aber das war falsch. ‚Nein, das kann ich nicht’, habe ich ihnen geantwortet», berichtet Senyonjo. Die Konsequenzen waren hart: Senyonjo wurde aus der Kirche geworfen und exkommuniziert. Er wurde bedroht und auf der Strasse aufgrund seiner Unterstützung für Homosexuelle angegriffen. Sogar die Familie des Bischofs wurde wegen seiner Weigerung, Homosexuelle zu verurteilen, stigmatisiert.

Die Zeitungen von Uganda begleiteten die Gesetzesvorlage mit reisserischen Schlagzeilen. So veröffentlichte die Zeitung «Rolling Stone» Fotos, Namen und Adressen von «100 führenden Homosexuellen» mit dem Zusatz «hängt sie». Auf der Titelseite schrieb die Zeitung, Homosexuelle wollten 1’000’000 unschuldige Kinder im Jahre 2012 rekrutieren. Unter den als «führende Homos» abgebildeten Menschen wurde auch ein Foto von Bischof Senyonjo veröffentlicht, obschon dieser nicht homosexuell ist. Prominent auf der Titelseite abgebildet wurde auch der LGBT Aktivist David Kato. Der Film spielt eine Aufnahme von David Kato ein, der sich darüber sorgte, dass der Einfluss der amerikanischen Evangelisten die Lage von Homosexuellen in Uganda massiv verschlechterte: «Als die amerikanischen Evangelisten hierher kamen und predigten, wir würden Kinder rekrutieren, begannen alle Eltern in diesem Land uns zu hassen.»

Bestärkt durch westliche Gelder, Missionare und der ugandischen Presse, begannen Priester, wie der (in den USA ausgebildete) ugandische Pastor Martin Ssempa in voll gefüllten Sälen über homosexuelle Praktiken zu hetzen, wobei er Bilder von sexuellen Praktiken zwischen Männern zeigte, wie beispielsweise Fisting oder Männer die den Kot von einander ins Gesicht geschmiert hatten. «Wir wollen Obama fragen: ist das, was er nach Afrika bringen will?» bellt Pastor Ssempa in sein Mikrofon, begleitet von brüllendem Publikum.

«Wer bereit ist, Homosexuelle umzubringen, erhebe die Hand» ruft ein anderer ugandischer Prediger an einer Grossdemonstration gegen Homosexualität – Hände schnellen in die Luft.

Auch positive Entwicklungen
Bei aller Dramatik zeigt der Film aber auch Aspekte, die Grund zur Hoffnung geben. So fährt Bischof Senyonjo mit den Filmemachern in eine Schule, die von einem schwulen Mann geleitet wird und der aufgrund seines Einsatzes für die Gemeinschaft mittlerweile akzeptiert ist. An dieser Schule hält der Bischof eine Ansprache vor Eltern und Kindern und erinnert sie daran, einander zu akzeptieren und zu lieben.

Der Film schliesst mit einer feierlichen Zeremonie an der junge, von amerikanischen Missionaren ausgebildete Ugander zu Missionaren vereidigt werden. Sie werden in Dörfer Ugandas reisen, um dort zu verkünden, was ihnen von den amerikanischen Evangelisten gelehrt worden ist. Und damit zu jenen Soldaten des Christentums gehören, welche die «International House of Prayer»-Kirche in den USA so dringend nötig hat.

Im Rahmen des Welthumanistentags 2014 wird «God Loves Uganda» am 21. Juni um 14 Uhr im Cabaret Voltaire gezeigt.
Info:
http://www.welthumanistentag.ch/welthumanistentag-2014

* Text: Alan David Sangines


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