in

«Premieren mag ich nicht so super gern»

Das Schauspielhaus in Zürich hat mit Benjamin von Blomberg und Nicolas Stemann zwei neue Intendanten

Benjamin von Blomberg

Benjamin von Blomberg und Nicolas Stemann haben am Schauspielhaus Zürich eine neue Aufgabe gefasst. Mit ersterem sprachen wir über Privilegien, die Aktualität von Theater und Lampenfieber.

Benjamin, mit Nicolas Stemann arbeitest du schon lange zusammen. Wie kam es überhaupt zu diesem Doppelengagement?
Nicolas und ich kennen uns jetzt schon seit vielen Jahren. Es ist eine dieser besonderen Freundschaften, die davon lebt, das wir auch sehr unterschiedlich sind. Inzwischen kenne ich ihn sehr gut. Das heisst aber natürlich nicht, dass er mich nicht mehr vollkommen überraschen könnte. Nicolas ist ein sehr freier und eigenwilliger Denker und Künstler. Vor 6 Jahren kam er dann das erste Mal mit dem Anliegen auf mich zu, gemeinsam eine Intendanz zu übernehmen. Das Timing stimmte aber gar nicht. Ich hatte gerade in Bremen angefangen und das fühlte sich absolut richtig an. Na ja, und dann wiederholte sich das ganze vor ca. zwei Jahren erneut: ich war Chefdramaturg in München und spürte, dass sich etwas verändern müsste. Diesmal hatte ihn die Findungskommission aus Zürich angesprochen, ob er sich nicht bewerben wolle – und das wollten wir dann. Und nur zusammen.

«Im Theater ist alles möglich. Aber auch das ist eine Gefahr»

Du hast auch Erfahrung mit der Inszenierung von Opern. Was ist anspruchsvoller: Theater oder Oper?
Also, man könnte denken: Oper zu inszenieren müsste so leicht sein! Die haben den ganzen musikalischen Apparat, die Kraft der Berührung durch Musik – aber so einfach ist das nicht. Selten sehe ich etwas in der Oper, das mich szenisch tatsächlich interessiert. Ich glaube, es liegt daran, dass Oper eben auch ungeheuer unfrei ist. Und es ist wichtig, mit Gewohnheiten zu brechen. Das Erwartbare ermüdet: Nirgendwo sonst schlafen so viele Menschen, die sich nicht kennen, zusammen in einem Raum! Eigentlich vielleicht doch ganz schön…

Im Gegenzug ist im Theater alles möglich. Aber auch das ist eine Gefahr: Wenn alles möglich ist, kann das dazu führen, dass die Macher*innen sich verführen lassen, das Gelingen ausschliesslich am avancierten Experimentieren mit Formen zu messen. Und sich darüber immer mehr elitär abheben und den Bezug zu der Welt, von und mit der sie doch eigentlich berichten wollen und den Bezug zum Publikum verlieren.


Was können die Zürcher von euch erwarten: Gegenwartsliteratur oder Klassiker?
Natürlich auch Klassiker! Aber nur, wenn wir absolute Gegenwart in ihm vermuten. Theater soll zu den Menschen jetzt sprechen. Es kann Spassmachen, um die Ecke von Jahrhunderten zu denken, um bei sich anzukommen. Was ist Faust nur für ein ungeheuer zeitgenössisches Werk! Wir werden beides machen – weil dieses Bei-sich-heute-ankommen möglich ist. Die Zeiten, da allein der Titel eines Klassikers für einen guten Theaterabend und dafür sorgte, dass die Bude voll ist, ist vorbei. Ich würde sagen: Gut so. Den überwiegenden Teil des Publikums, jung wie älter, erlebe ich als extrem aufgeklärt. Die wissen genau, was sie wollen und interessiert und sie sind anspruchsvoll. Nicolas würde sagen: Im Theater wird Dir vieles verziehen, nur untersteh Dich, zu langweilen!

Ich bin dankbar, dass ich hier sein und an diesem Haus und mit diesen Menschen Theater machen darf. Ich fühle mich unendlich privilegiert

Wie gefällt dir die Schweiz?
Das wurde ich schon so oft gefragt, ich traue mich schon gar nicht mehr zu sagen, wie schön ich es hier finde. Ich bin dankbar, dass ich hier sein und an diesem Haus und mit diesen Menschen Theater machen darf. Ich fühle mich unendlich privilegiert. Und das Bewusstsein für dieses Privilegiertsein ist wiederum auch ein Antrieb für die Theaterarbeit: Die Verteilung von Privilegien in der Welt stimmt nicht. Es muss prinzipiell darum gehen, Nicht-Privilegierte in ihrem Kampf um ihre Rechte zu unterstützen. Die eigenen Privilegien nicht zu missbrauchen oder auch fahren zulassen, wenn sie andere beschränken.

Leidest du vor der Premiere an Lampenfieber?
Ehrlich gesagt mag ich Premieren tatsächlich nicht so super gern. Nicht so sehr wegen Lampenfieber, sondern mehr, weil ich mich oft nicht von den Gefühlsschwankungen der Menschen um mich herum freimachen kann. Es geht nur noch um diese Premiere. Alles hängt davon ab: wie sie läuft, wie die Reaktionen sind. Plötzlich geht es um Leben und Tod, nicht mehr nur um alles. Das muss vermutlich so sein. Beteiligte und Zuschauende lieben das. Das kann auch magisch sein. Ich habe danach dennoch manchmal das irre, absolut körperliche Bedürfnis, endlich allein zu sein.


Ist Theater überhaupt noch zeitgemäss?
Absolut nicht! Und das gerade macht die totale Verführungskraft von Theater aus. Das Unzeitgemäße: Hier sind Menschen am Werke, die auf gleichgesinnte Menschen treffen, die darauf aus sind, für ein paar Stunden aus der Zeit zu fallen. Um dann vielleicht wiederaufzutauchen und sich zu fragen: was war das denn jetzt, bitteschön!? Etwa der Zustand oder das Gefühl oder der Gedanke, für die ich selbst die Sprache und eine Vorstellung noch nicht hatte? Oder doch bloß ein Traum?


Ljubljana Pride

Die Liebe fühlen in Slowenien

Mr. Gay Germany 2019

«Mr. Gay Germany»-Kandidat gegen Homophobie im Fussball