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1 Jahr Haft für Anbieter von Konversionstherapien?

Gemeinnützigen Anbietern solcher Behandlungen sollte künftig zudem die Gemeinnützigkeit entzogen werden, empfiehlt die Fachkommission

Verbot von Konversionstherapien
Symbolbild (Foto: AdobeStock)

Am Montag hat das Bundesgesundheitsministerium den Abschlussbericht der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld zum Verbot von Konversionstherapien veröffentlicht. Darin wird empfohlen, das Werben für und Vermitteln und Anbieten von solchen Behandlungen mit einem Jahr Haft sowie hohen Geldbusse zu bestrafen.

Im Untertitel trägt der über 300 Seiten starke Bericht der Fachkommission die Bezeichnung: «Wissenschaftliche Bestandsaufnahme der tatsächlichen und rechtlichen Aspekte von Handlungsoptionen unter Einbeziehung internationaler Erfahrungen zum geplanten Verbot sogenannter ,Konversionstherapien‘ in Deutschland zum Schutz homosexueller Männer, Frauen, Jugendlicher und junger Erwachsener vor Pathologisierung und Diskriminierung». Teil der Kommission war u. a. die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die am Montag via Twitter erklärte: «Ein gesetzliches Verbot ist nach unserer Überzeugung der richtige Schritt.»

Zehn Schwerpunktsetzungen werden von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld im Abschlussbericht genannt: Sowohl Behandlungen gegen die sexuelle Orientierung als auch gegen die Geschlechtsidentität (trans, inter, geschlechtliche Inkongruenz) sowie das Werben für und die Vermittlung zu heilkundlichen sog. Konversionstherapien an Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sollte verboten werden.

Eine Verortung eines Verbots des Werbens, Vermittelns und Anbietens solcher Behandlungen im Strafgesetzbuch sehe man nicht als zwingend notwendig an. Eine gesetzliche Lösung im Rahmen halte man für möglich und ausreichend, wenn bei Verstössen eine einjährige Haftstrafe sowie ein hohe Geldbusse drohe.


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Zum Vergleich: In Malta, das als erstes europäisches Land Konversionstherapien verboten hat, drohen seit 2016 Strafen von bis zu 5000 Euro oder fünf Monaten Haft für den Versuch, eine sexuelle Orientierung zu ändern. Sind Minderjährige betroffen, fällt das Strafmass doppelt so hoch aus. In der Schweiz hat sich der Bundesrat kürzlich gegen ein Verbot solcher schädlicher Behandlungen ausgesprochen (MANNSCHAFT berichtete).

Gemeinnützigen Anbieter*innen solcher Behandlungen in Deutschland sollte künftig zudem die Gemeinnützigkeit entzogen und Schadenersatzforderungen durch die Betroffenen ermöglicht werden. Öffentliche Gelder oder sonstige Unterstützungsleistungen an Anbieter*innen oder Vermittler*innen von Konversionsbehandlungen sollten gestoppt sowie Geldzahlungen zurückgefordert werden.

Dialog mit Religionsgemeinschaften empfohlen
Ausserdem wird empfohlen: Als gesellschaftliche Begleitmassnahme sollte ein kontinuierlicher Dialog mit den Kirchen und Glaubensgemeinschaften darüber geführt werden, dass Homosexualität, Trans- und Intersexualität keine Krankheiten sind, weswegen auch  seelsorgerische-, religiös oder weltanschaulich motivierte Interventionen keinen Platz mehr in der Ausbildung sowie in den Berufsgruppen z.B. von Pfarrern, Priester*innen, Imamen und Rabbiner*innen mehr haben sollten. Hier wird die Finanzierung eines fünfjährigen Modellprojektes angeregt, das einen solchen Dialog finanziert und wissenschaftlich begleitet. Die Church of England verurteilte bereits vor zwei Jahren «Homoheilung» als «gefährlich» und «unethisch» (MANNSCHAFT berichtete).


Interventionen, die aus heutiger Sicht als unethisch gelten müssen
Der Abschlussbericht enthält u. a. ein Gutachten des Instituts für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie in Hamburg. Darin heisst es: «Die Wirksamkeit unterschiedlicher Formen von SOCE [Sexual Orientation Change Efforts, gemeint sind Konversionstherapien] wurde in einer Reihe wissenschaftlicher Studien untersucht. Gegen diese Studien existieren zahlreiche methodische Einwände. Die wenigen experimentellen und quasi-experimentellen Studien stammen aus den 1970er Jahren und untersuchen Interventionen, die aus heutiger Sicht als unethisch gelten müssen (sog. Aversionstherapien).»

Insgesamt lasse keine der uns bekannten Studien den Schluss zu, dass die sexuelle Orientierung durch SOCE dauerhaft verändert werden könne. «Für die Durchführung von SOCE gibt es keine medizinisch-psychotherapeutische Indikation.»

Gleichzeitig gebe es deutliche Hinweise darauf, dass SOCE mit dem Risiko negativer Wirkungen bezogen auf das Individuum (so z. B. Depressivität, Angst, Suizidalität, sexuelle und Beziehungsprobleme) einhergehe.

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Aus juristischer Sicht wäre gegen ein Verbot nichts einzuwenden. Im rechtswissenschaftlichen Kurzgutachten, das die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH) bei Professor Dr. iur. Martin Burgi – Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Umwelt- und Sozialrecht an der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Uni in München – in Auftrag gegeben hat, heisst es:

Verbot mit Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit vereinbar
«Ein Verbot des Anbietens, der Durchführung, der Vermittlung von und des Werbens für sog. Konversionstherapien durch Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und -therapeuten, Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker sowie gewerblichen Anbietern wäre mit deren Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, auch wenn es mit einer Strafandrohung verbunden würde.»

Konversionstherapien können Depressionen verursachen und die Suizidgefahr erhöhen

Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Mitglied der Fachkommission des Bundesministeriums, schreibt in ihrem Plädoyer für ein konzertiertes Vorgehen gegen Konversionstherapien: Diese seien «keine medizinische Behandlung, da keine Krankheit behandelt wird, sondern sie werden von einigen Organisationen, von angeblichen Heilern, gewerblichen Anbietern angeboten bzw. es wird in Gesprächen mit Homosexuellen darauf gedrängt, sie anzuwenden.» Betroffene würden in die Isolation gedrängt, «können Depressionen bekommen, erleiden Ängste und die Suizidgefahr kann erhöht werden. Jedenfalls sind keinerlei wissenschaftlich positive Wirkungen nachgewiesen».

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Als wesentlichen Schritt für die Einordnung von Konversionsmassnahmen als Menschenrechtsverletzung werden im Bericht die Worte des UN-Sonderberichterstatters gegen Folter, Juan E. Mendez, aus dem Jahr 2013 zitiert. In seinem Bericht findet sich dieser Absatz über LGBTIQ:

«Der Sonderberichterstatter ruft alle Staaten auf, alle Gesetze aufzuheben, die invasive und irreversible Behandlungen gestatten, einschliesslich zwangsweiser geschlechtsnormalisierender Operationen, unfreiwilliger Sterilisation, unethischer Versuche, der Verwendung als medizinisches Anschauungsobjekt, ‚reparativer Therapien‘ oder ‚Konversionstherapien‘, sofern ohne die freie informierte Einwilligung der betroffenen Person durchgesetzt oder vorgenommen. (…)».

Den kompletten Abschlussbericht kann man hier nachlesen


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