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«Die Kostenübernahme für PrEP sollte uns alle freuen»

Was zur Übernahme der Kosten durch die gesetzlichen Kassen in Deutschland wichtig ist

LGBTIQ News
Bild: iStockphoto

Ab sofort zahlen die gesetzlichen Krankenkassen für die HIV-Prophylaxe PrEP (MANNSCHAFT berichtete). Tim Schomann, Leiter der Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU von der Deutschen AIDS-Hilfe, beantwortet die wichtigsten Fragen.

Tim, ab September zahlen nun die gesetzlichen Krankenkassen für die HIV-Prophylaxe PrEP. Gibt es auch private Kassen, die das übernehmen?
Es gab und gibt einige private Krankenkassen, die die Kosten der PrEP übernehmen und dies auch weiterhin tun. Andere private Krankenkassen übernehmen derzeit aber noch nicht die Kosten. Wir hoffen, dass sich das bald ändert und damit jeder die PrEP bezahlt bekommt, der sie will und braucht.

Deutschland schaffte es im europäischen Vergleich nicht auf die Spitzenplätze des Wissens über die PrEP. Welche Länder schneiden besser ab und was machen die anders?
Stimmt, Deutschland liegt laut Befragungen da eher im Mittelfeld. Das hat auch damit zu tun, dass die Einführung der PrEP hier später startet, als in anderen Ländern. Frankreich oder auch England hatten zudem schon vor einigen Jahren grossangelegte Informationskampagnen zur PrEP, was die Bekanntheit und die Nachfrage natürlich gesteigert hat.

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In Deutschland haben wir – die Deutsche Aidshilfe – schon seit langem den Zugang zur PrEP und die Kostenübernahme gefordert. Besonders aber die verschiedenen PrEP-Aktivist*innen in Deutschland haben dafür gesorgt, dass das Thema mehr Aufmerksamkeit bekam. Zum Beispiel auch mit Seiten wie prepjetzt.de. Wir von ICH WEISS WAS ICH TU stellen auf unserer Seite auch seit langem alle wichtigen Infos zur PrEP bereit.


Was wenn sich mein Arzt weigert, mir die PrEP zu verschreiben?
Was kann momentan tatsächlich noch ein strukturelles Problem sein. Nicht alle Ärztinnen und Ärzte sind auf dem aktuellen Stand zur PrEP und qualifiziert, diese auch zu verschreiben. Gerade in ländlichen Regionen kann das ein Problem sein. Wichtig ist: Dran bleiben! Eigentlich sollte es ausreichend sein, dem Arzt zu sagen, dass man Sex ohne Kondom hatte oder haben wird. Das sollte für eine Verschreibung ausreichen. Auf iwwit.de kann man ausserdem geeignete Ärzt*innen finden, die die PrEP verschreiben. Aber ja, strukturell liegt da noch einiges an Arbeit vor uns.

Anfang des Jahres hiess es in einer Stellungnahme der AOK, dass die regelmässige Nutzung der PrEP durch starke und häufige Nebenwirkungen nicht gesichert sei und dadurch Resistenzen durch unsichere Einnahme drohen. Alles wissenschaftlich unhaltbar. Sind inzwischen alle Kassen auf dem aktuellen Stand?
Ganz ehrlich: Das ist ja das tolle an der jetzigen Situation: Die Kassen müssen bezahlen, egal welche (unbegründeten) Vorbehalte es bei einzelnen geben könnte. Klar wäre es auch hier wünschenswert, dass alle auf dem gleichen Informationsstand sind. Aber wie gesagt: Die gesetzlichen Krankenkassen müssen jetzt die PrEP bezahlen. Von daher spielt der Wissensstand dort keine wirkliche Rolle mehr.

Ein anderes AOK-Argument lautete, man rechne mit stark zunehmenden Fallzahlen bei anderen sexuell übertragbaren Krankheiten (STI). Ist das völlig von der Hand zu weisen? Immerhin hat sich die Zahl der bestätigten Syphilis-Fälle in Europa in den vergangenen Jahren stark erhöht.
Die Syphilis-Zahlen steigen ja seit einigen Jahren an. Von daher kann man dies nicht allein an der PrEP festmachen. Inwieweit die Zahlen aufgrund der PrEP steigen, kann man momentan jedenfalls nicht seriös sagen. Und jeden der das tut, könnte man fragen: Und? Sollte das ein Grund sein, Menschen nicht die Möglichkeit zu geben, sich vor HIV zu schützen? Das kann ja nun niemand ernsthaft wollen. Die PrEP wird viele tausend HIV-Infektionen verhindern – und das ist in jedem Fall ein Erfolg.


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Die PrEP bietet zudem den Vorteil, dass auch regelmässige Untersuchungen auf Geschlechtskrankheiten von der Kasse übernommen werden. Diese können so schneller erkannt und erfolgreich behandelt werden. Wir von ICH WEISS WAS ICH TU und der Deutschen Aidshilfe wünschen uns diese regelmässigen und kostenlosen Checks für alle schwulen Männer. Egal ob jemand das Kondom benutzt, die PrEP einnimmt oder Schutz durch Therapie praktiziert.

Die Einführung der PrEP und die Kostenübernahme durch die Kassen jedenfalls ist ein Meilenstein in der HIV-Prävention in Deutschland! Das sollte uns alle freuen. Gerade für die Menschen, die nun eine weitere Schutzmöglichkeit vor einer HIV-Infektion haben.

Das Interview ist im September-Heft der MANNSCHAFT (Deutschland) erschienen. Hier geht es zum Abo Deutschland und hier zum Abo Schweiz.


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