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BAMF lehnt LGBTIQ-Flüchtlinge ab – homophobes Kalkül?

Vier Fälle aus Norddeutschland sorgen für Kritik

Wieder sorgen Abschiebebeschlüsse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu queeren Geflüchteten für Entsetzen. Die Fälle zweier Ägypter, eines Pakistaners sowie eines Marokkaners macht die LGBTIQ-Organisation Queeraspora öffentlich.

Queeraspora und das LGBITQ-Zentrum Rat und Tat, beide in Bremen, stellen mit grossem Erschrecken fest, dass das Thema Flucht von LGBTIQ in einigen deutschen Gerichten bis hin zum BAMF (Bundesministerium für Migration und Flucht) immer noch unsensibel und unaufgeklärt behandelt wird. Oder es stecke ein anderes fremden- und homofeindliches Kalkül dahinter, wie man es bereits vom Migrationsamt in Österreich kenne, wo queeren Geflüchteten mangels klischeehaften Verhaltens die queere Identität abgesprochen wird.

Das BAMF will geflüchtetes Paar nach Malaysia zurückschicken

«Was auch immer dahinter steckt, es darf nicht sein, dass zwei Ägyptern, einem Pakistaner sowie einem Marokkaner die Abschiebung in Länder droht oder bevorsteht, in denen sie als homo- bzw. bisexuelle Personen Gewalt und Verfolgung erlebt haben. Und das hier in Bremen und Niedersachsen, eben nicht Bayern oder Sachsen», teilte Ali Naki Tutar von Queeraspora in einer Pressemitteilung am Mittwoch mit.

BAMF spielt mit Unversehrtheit und Zukunft eines Mannes
Zum Schutz der Identität der Klient*innen gibt man keine Namen und Daten preis. Man habe jedoch die Erlaubnis die Sachlage öffentlich zu machen. Im Asylverfahren eines schwulen Ägypters etwa wird der Asylantrag vom BAMF abgelehnt, weil man die Person offenbar als nicht schwul genug empfindet. «Abgesehen davon, dass solche paternalistischen Aussagen homophob sind, setzt sich die Begründung über den Beratungsnachweis des Rat und Tat-Zentrums hinweg und spielt mit der Unversehrtheit und Zukunft eines jungen Mannes, der hier endlich den Mut gefasst hat, sein Outing vorzunehmen.»


Bei einem anderen Ägypter erläutert das Verwaltungsgericht der Hansestadt Bremen, «…kommt es nicht darauf an, dass nicht erkennbar ist, ob homosexuelle Männer, die, wie der Kläger, ihre Neigung lediglich diskret leben, in Ägypten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgung rechnen müssten. Es liegen zwar Übergriffe staatlicher Behörden auf Homosexuelle vor, diese beziehen sich jedoch erkennbar auf öffentlichkeitswirksame Ereignisse.» An anderer Stelle sage das Gericht, es gäbe eine zu geringe Zahl von Berichten über Übergriffe auf queere Einzelpersonen in Ägypten.

Es sei unfassbar, dass das Gericht vorschlage, die homosexuelle Identität heimlich auszuleben und Menschen zur Diskretion und der ständigen Angst ‚entdeckt‘ zu werden verdammen möchte. Zeitgleich kritisiere Deutschland sehr oft die diskriminierende Behandlung von LBGTIQ*-Personen rund um den Globus und rühme sich mit gesetzlichen Verbesserungen wie der
Eheöffnung. Zudem behaupte das Bremer Verwaltungsgericht, dass es zu wenig Quellen für staatliche oder gesellschaftliche Repressionen gäbe. Es benenne lediglich zwei Angriffe, die über die Mainstream-Medien durch die Welt gegangen sind.

«Staaten, die LGBTIQ verfolgen, sind keine akzeptablen Gastgeber»

Dabei gebe es etwa Berichte, nach denen die ägyptische Polizei gezielt nach Schwulen Menschen in den Gay-Apps sucht, um sie im Nachhinein bloss zu stellen oder zu verhaften. Auch gesellschaftlich sei Homophobie so weit verbreitet, dass die Betroffenen nicht nur keinen Schutz bekommen, sondern stets den Verrat an die Polizei befürchten müssen. Inwiefern sollen also Homosexuelle in Ägypten sicher sein, fragt Queeraspora. «Am besten, indem sie so tun als sein sie Heterosexuell und damit nicht nur sich, sondern auch die Menschen in ihrem Umfeld schweren psychischen Belastungen aussetzen?»


Ein pakistanischer Geflüchteter wurde im zweiten Schnellverfahren beim Gericht Oldenburg sowie beim BAMF abgelehnt und gebeten freiwillig nach Pakistan zu reisen. Dort drohe ihm die Verfolgung durch gesellschaftliche Homophobie sowie die Ermordung durch den Vater, der zur pakistanischen Polizei beste Kontakte pflegt. Die Homosexualität des Klienten sei der Familie bekannt.

Das BAMF und das Oldenburger Verwaltungsgericht urteilten im ersten Schnellverfahren:
«Homosexualität ist gemäss §377 Pakistan Penal Code (-PPC-) als ‚gewollter unnatürlicher Geschlechtsverkehr‘ zwar verboten; für eine Verurteilung ist jedoch der Beweis des Geschlechtsaktes zwingend erforderlich.»

Absurde Verfahren in Österreich – kein Schwulenporno, kein Asyl!

Was das indirekt aussagen solle, sei so offensichtlich wie unglaublich. Dennoch schlussfolgert das Gericht: «Die Anerkennung zur LBGT-Community allein reicht aber nicht aus, um eine Flüchtlingsanerkennung zu erreichen.» Dann habe der Richter erklärt: «..ist der Antragsteller auf die für ihn gegebene inländische Fluchtalternative zu verweisen […] In den Städten Pakistans- vor allem in den Großstädten Faisalabad, Rawalpindi, Peshawar, Hyderabad oder Multan- leben potentielle Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als anderorts.»

Der Richter hätte unbedingt die Branche wechseln und zum Top-Gay-Travel Berater umsteigen sollen, so Ali Naki Tutar von Queeraspora bitter.

Im zweiten Schnellgericht entscheide das BAMF ebenfalls negativ, ohne dabei auf die Bescheinigungen des Rat und Tat-Zentrums einzugehen, die ausführlich die Homosexualität der betroffenen Person sowie ihre Gefährdungslage belegen. Einem marokkanischen queeren Geflüchteten drohe aufgrund des Dublin-Verfahrens die Abschiebung nach Spanien, wo ihn jedoch die sichere Abschiebung nach Marokko erwartet. Die spanischen Behörden hätten zwar angekündigt, Geflüchtete mit besonderen Fluchtgrund aufzunehmen, dieser habe aber bei LGBTIQ-Personen nicht Bestand.

«Wenn also schon die deutschen Behörden und Gerichte aus bürokratischen, rassistischen oder homophoben Gründen nicht erkennen wollen, dass LGBTIQ-Gruppen eine besondere Vulnerabilität inne haben und daher einen besonderen Schutz benötigen, so kann man leider von anderen europäischen Ländern nicht erwarten, dass sie anders handeln.»

Unglaublich perfide mit welchen offensichtlich diskriminierenden Begründungen queeren Geflüchteten der Aufenthalt in Deutschland abgesprochen wird

Es sei unglaublich perfide mit welchen offensichtlich diskriminierenden Begründungen queeren Geflüchteten der Aufenthalt in Deutschland abgesprochen werde. Ein bekanntes und renommiertes Zentrum, wie das Rat und Tat stellt für queere Geflüchtete Beratungsnachweise aus, die dann nicht als glaubwürdig anerkannt und als Beweismittel akzeptiert werden. Stattdessen entscheiden BAMF und die Gerichte in Bremen und Oldenburg selbst, wer homosexuell ist und wo diese Menschen dann wie am besten aufgehoben sind.

Man werde nicht zulassen, dass sich der Staat erlaube, queere Geflüchtete zu selektieren und ggf. homophobe-rassistische Entscheidungen zu treffen. Welche Glaubwürdigkeit habe eine Politik, die die Ehe für Alle unter grösster Bemühung (und auf wackligen Füßen) erlaubt, aber Hilfesuchenden nicht nur ein Recht auf Leben verweigert, sondern zudem die Identität abspricht?

Queeraspora fordert das BAMF sowie alle deutschen Gerichte auf, solche Entscheidungen zu unterlassen. Ansonsten sei das «ein Vertrauensbruch, der nicht so leicht wieder gerichtet» werden könne.


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