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«Die katholische Kirche spuckt schwulen Priestern ins Gesicht!»

Der Leiter der Priesterausbildung im Erzbistum Köln hält Schwule für psychisch gestört – dazu unser Samstagskommentar

Pater Romano Christen
Pater Romano Christen (Foto: Screenshot)

Schon komisch zu sehen, dass ausgerechnet dort am intensivsten über schwulen Sex gesprochen wird, wo er am stärksten verpönt ist: in den reaktionären Winkeln der katholischen Kirche. Die jüngste Entgleisung im Erzbistum Köln in der Person von Pater Romano Christen muss dringend Konsequenzen haben, meint Stefan Mielchen im Samstagskommentar*.

Dieser Mann ist für die Priesterausbildung untragbar: Bereits im Januar hatte der aus der Schweiz stammende Pater Romano Christen vor seinen Schülern im Erzbistum Köln einen Vortrag über «Die Frage des Umgangs mit homosexuellen Tendenzen» gehalten. Die Süddeutsche Zeitung hatte seine Entgleisungen in dieser Woche aufgedeckt.

Die These des obersten Priesterausbilders in Deutschlands grösstem Bistum: Homosexualität sei nicht angeboren, sondern die Folge einer psychologischen (Fehl)Entwicklung, die in der Kindheit oder Jugend stattfinde und zu einem «Geschlechtsminderwertigkeitskomplex» führe. Mit anderen Worten: Schwule haben einen an der Klatsche.


Spricht da jemand aus eigener Erfahrung?
Dass Homosexuelle nicht gesund sind, ist spätestens – oder besser gesagt: erst – seit 1992 offiziell widerlegt. Seither wird Homosexualität von der Weltgesundheitsorganisation nicht mehr als Krankheit geführt. Das ficht konservative Kleriker nicht an. Homosexuelle Liebe sei weniger «die reale Begegnung mit einem Du», sondern vielmehr «eine narzisstische Suche», erklärte Pater Romano seinen Schülern. Die «Fixierung auf die Lust» solle «die eigene innere Wunde heilen und das Selbstmitleid stillen». Klingt fast so, als spreche da jemand aus eigener Erfahrung.

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Zumindest ist es eine Sicht, die Menschen in ihrem Sein nicht akzeptiert, sondern verachtet. Als zusätzliche Verhöhnung muss man empfinden, dass Pater Romano gegenüber der Süddeutschen Zeitung versicherte, «dass Menschen mit homosexuellen Neigungen Respekt verdienen und auf keinen Fall herabgewürdigt werden dürfen». So viel Scheinheiligkeit muss man sich erst mal trauen.

Da wundert es nicht, dass Schwule aus Sicht der Kirchenmannes heilbar sind: «Auch wenn sie von der Schwulen-Lobby regelrecht dämonisiert werden, gibt es Therapien und Männer, die sie erfolgreich bestanden haben», zitiert die SZ aus dem Vortragsmanuskript. Der christliche Glaube sei die «wirksamste Kraft“ zur «inneren Heilung und Reifung».


Es mag Zufall sein, dass der Vortrag just in dem Moment publik wird, in dem Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine Kommission einberuft, die über ein Verbot von Konversionstherapien berät. Es würde indes nicht überraschen, wenn ihn der Kölner Kirchenklüngel selbst lanciert hätte, um ein Zeichen des rechten Glaubens zu setzen. Dass bei den Katholiken ein Machtkampf zwischen Reaktionären und Reformern tobt, ist nicht erst seit dem Missbrauchsskandal offenkundig. Da kann eine eindeutige Positionierung in Fragen der Sexualmoral nicht schaden.

Pater Romano ist dabei nicht irgendwer: Der 58-Jährige steht als Direktor dem Collegium Albertinum in Bonn vor. Er ist für die Ausbildung der kommenden Priestergeneration im Erzbistum Köln zuständig – und die soll offenbar auf Linie gebracht werden. Aktuell leben rund 25 angehende Priester in der Einrichtung, die schon bald auf die Gemeinden losgelassen werden. «Dass Kardinal Woelki 2015 Romano Christen diesen Posten übertrug, ist ein Statement», urteilt SZ-Kirchenexperte Matthias Dobrinski.

Zweifellos: Die Pathologisierung von Homosexualität wird so von einem der einflussreichsten Kirchenmänner Deutschlands geduldet, wenn nicht gar gefördert. Dahinter darf Kalkül vermutet werden. Widerspruch zu den Thesen des Paters war in Köln von der Laienvertretung der Diözese zu vernehmen. Aber auch das Erzbistum Köln distanzierte sich von Aussagen des katholischen Priesterausbilders. Generalvikar Markus Hofmann stellte am Freitag klar, dass die Äusserungen nicht der Auffassung von Kardinal Rainer Maria Woelki entsprächen. Dieser wolle in Kürze ein Gespräch mit dem Pater führen, um seinen Standpunkt deutlich zu machen, hiess es. Es wäre an ihm, den untragbaren Ausbildungsleiter mit sofortiger Wirkung abzuberufen!

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Zumal es als offenes Geheimnis gilt, dass zahlreiche Priesteramtskandidaten schwul sind. Statt sie zu stärken, spuckt ihnen die Kirche ins Gesicht. Du sollst deinen Nächsten lieben wie Dich selbst? Genau das ist das Problem in einem System, das internalisierte Homophobie konsequent befördert. Niemand ist krank, weil er schwul ist. Wer aber sein Innerstes dauerhaft verleugnen muss und in permanenter Angst vor Entdeckung lebt, der wird es irgendwann.

Schon 2005 hatte der damalige Papst Benedikt XVI. festgelegt, dass Männer, die «Homosexualität praktizieren, tief sitzende homosexuelle Tendenzen haben oder eine sogenannte ‚homosexuelle Kultur‘ unterstützen», keine Priester werden dürfen. Vor drei Jahren hat Nachfolger Franziskus dies bestätigt. Der zwischenzeitliche Hoffnungsträger – eine grosse Enttäuschung. Auch am Zölibat wird nicht ansatzweise gerüttelt.

So zieht die katholische Kirche in vollem Bewusstsein potenzielle Missbrauchs-Täter heran. Denn wer seine Sexualität über Jahrzehnte zwanghaft unterdrücken muss, sucht sich möglicherweise früher oder später ein Ventil. Die Herren am oberen Ende der Hierarchie wissen um die Warnungen der Forscher, ignorieren sie beharrlich, verharren in überkommenen Überzeugungen und wollen aus den Skandalen und dem Leid der Vergangenheit nicht lernen. Schuld tragen immer nur die anderen.

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Die jüngsten Einlassungen des zurückgetretenen Papstes sind ein trauriger Beleg. Benedikt XVI. suchte die Verantwortung für die Missbrauchsverbrechen nicht etwa im eigenen System. Er gab vielmehr der sexuellen Befreiung der 68er und «homosexuellen Clubs» in den Priesterseminaren die Schuld. In seinen Aufsatz machte er Opfer zu Tätern. Würdeloser kann ein Würdenträger nicht argumentieren. Auch der Umgang der deutschen Bischofskonferenz mit dem Thema war alles andere als eine vertrauensbildende Massnahme. Der Wille zu unabhängiger Aufklärung oder tiefgreifenden Konsequenzen ist bis heute schwer erkennbar. Der Klerus lässt sich nicht reinreden.

Eine solche Kirche kann niemand ernst nehmen

Auch die von Papst Franziskus in dieser Woche dekretierte Meldepflicht für sexuelle Übergriffe ist ausschliesslich nach innen gerichtet. Die deutsche Justizministerin Katarina Barley forderte sogleich, die katholische Kirche müsse bei jedem Hinweis auf sexuellen Missbrauch sofort Strafanzeige stellen. Schon allein, dass ein derartiger Appell überhaupt notwendig ist, zeigt die Tragweite des Problems. Eine solche Kirche kann niemand ernst nehmen.

Wenn sich Laien und Mitarbeiter weiter in dieses System fügen, wird sich auf Dauer nichts verändern. Mehr Revolution wagen, lautet die Devise. Für alle anderen gibt es einen einfachen Weg: Austreten! (hier steht, wie das geht)

* Stefan Mielchen ist Erster Vorsitzender bei Hamburg Pride. Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.


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