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«Staaten, die LGBTIQ verfolgen, sind keine akzeptablen Gastgeber»

Menschenrechte sind im Tourismus kaum Thema. Sollte man in Länder verreisen, die queere Menschen kriminalisieren? Dazu unser Samstagskommentar

LGBTIQ Verfolgerstaaten
Istanbul (Foto: Pixabay/Konevi)

Osterzeit ist Reisezeit. Über die Feiertage stehen wieder zahlreiche Trips an. Hauptsache raus! Das Fernweh ist ungebrochen. Aber man sollte sein Pink Money nicht dort ausgeben, wo Mitglieder der LGBTIQ-Community und diskriminiert und verfolgt werden, kommentiert Stefan Mielchen*.

2018 verreisten so viele Deutsche wie nie zuvor. Die Branche boomt und buhlt verstärkt auch um die Regenbogen-Kundschaft. Flugreisen oder Kreuzfahrten werden zwar unter Klimagesichtspunkten zunehmend kritisch betrachtet. Doch die Buchungslage bleibt stabil. Ein anderer Aspekt ist offenbar kaum Thema für Touris: die Einhaltung von Menschenrechten. Ägypten, Mauritius, Türkei – auf dem Gay Travel Index von Spartacus liegen solche Ziele zu Recht auf den hinteren Plätzen. Der Gunst der Reisenden tut das keinen Abbruch.

Hoffnung für die queere Community in Namibia

In über 70 Staaten ist Homosexualität strafbar. Nahezu die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Ländern, in denen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung kriminalisiert werden. Zuletzt führte Brunei die Todesstrafe für homosexuelle Handlungen ein. In anderen Staaten gilt sie schon lange. Sie gehören in aller Regel nicht zu den Top-Destinationen der queeren Reisecommunity. Das Selfie vorm Burj Kalifa in Dubai hingegen ist Alltag – doch auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten steht auf Sex zwischen Männern der Tod.

Malaysia ist ebenfalls ein Verfolgerstaat. Kein Problem für die weltgrößte Reisemesse, die Berliner ITB. Dort war Malaysia vor wenigen Wochen offizielles Partnerland. Wie zuvor schon die Malediven oder Botsuana. Alle drei Länder sollten eigentlich No-Go-Areas für LGBTI-Reisende sein: Ihnen drohen dort Stockschläge, Peitschenhiebe oder Gefängnisstrafen bis zu 20 Jahren. Der ITB ist das gleichgültig. Proteste werden ignoriert, man gibt sich lieber „neutral“. Klar, denn Kritik ist schlecht fürs Geschäft. Auf der Messe durfte der Tourismusminister Malaysias im Rahmen einer Pressekonferenz Anfang März gar behaupten, dass es in seinem Land keine Homosexuellen gebe. Ein unglaublicher Auftritt auf der Bühne eines Unternehmens, das dem Land Berlin gehört. Doch was juckt das die Messe, wenn sie für ihr LGBTI-Engagement auch noch ausgezeichnet wird – aus der Community!


Die International Gay and Lesbian Travel Association (IGLTA) überreicht den ITB-Verantwortlichen in wenigen Tagen einen Preis für ihre „kontinuierliche und international erfolgreiche Positionierung“ des queeren Travel-Segments. Sicher, auf der Messe gibt es seit Jahren ein überschaubares Areal für entsprechende Aussteller. Wenn dies aber mehr sein soll als das tolerante Deckmäntelchen einer umsatzfixierten Branche, wäre Haltung gefragt. Nicht nur bei der Messe. Auch die IGLTA muss sich vorhalten lassen, dass sich eine solche Auszeichnung schlecht mit dem selbst gesteckten Ziel vereinbaren lässt, die Sicherheit des LGBTI-Tourismus weltweit zu fördern.

Auch die Politik ist gefragt. Gerade erst hat eine Grosse Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Kai Gehring eindrucksvoll aufgezeigt, wie schlecht es um die weltweite Menschenrechtslage von LGBTIQ bestellt ist. In ihrer Antwort listet die Bundesregierung sehr detailliert auf, in welchen Ländern Homosexualität illegal ist, welche Strafen für gleichgeschlechtliche Handlungen drohen, und so weiter. Die Liste ist lang. Das Auswärtige Amt spricht derzeit Reisewarnungen für 25 Länder aus und macht darüber hinaus zu jedem Staat Angaben über die Rechtslage für LGBTIQ. Die Kriminalisierung von Homosexualität alleine reicht nicht für eine Reisewarnung. Selbst die Androhung der Todesstrafe nicht. Das sagt viel aus über den Stellenwert des Themas.

Am Ende haben wir es selbst in der Hand zu entscheiden, wohin wir verreisen. Ist ein Städtetrip nach Istanbul vertretbar, wenn man weiss, dass dort die Gay und die Trans Pride regelmäßig von der Polizei zusammengeprügelt werden? Soll man sein Pink Money an die Copacabana tragen, obwohl der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro offensiv Hass gegen Homosexuelle schürt? Sind die Malediven weniger paradiesisch, weil man dort für gleichgeschlechtlichen Sex in den Knast wandern kann? Das Okavango-Delta weniger fotogen, weil in Botsuana das Gleiche gilt? Und: Hilft es den LGBTIQ vor Ort, wenn man ihre Heimatländer touristisch boykottiert?


Verliebt in Toronto – zu zweit in Kanada

Für mich gilt: Menschenrechte sind unteilbar und sie gelten global. Solidarität ist kein Vier-Sterne-Trip privilegierter Mitteleuropäer. Aktives politisches Handeln ist gefragt. Länder, in denen die Rechte und die Würde von LGBTIQ mit Füssen getreten werden, können für mich keine akzeptablen Gastgeber sein.

*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.


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