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Donald Trump mit Regenbogen-Tsunami konfrontiert

In Washington wurde der neue Kongress eingeschworen: mit zehn LGBTIQ-Vertretern. US-Medien sprechen von einem historischen «Wendepunkt»

US-Präsident Donald Trump in einem offiziellen Porträt des Weißen Hauses (Foto: Shealah Craighead)

Am Donnerstag wurden die Mitglieder des 116. US-Kongresses eingeschworen; damit übernahmen die Demokraten offiziell die Mehrheit im Repräsentantenhaus.

Das verschiebt die Machtverhältnisse für Präsident Donald Trump merklich, weil er Gesetzesvorhaben mit seiner republikanischen Mehrheit nicht mehr wie bisher durchwinken kann.

Zu den neu eingeschworenen Abgeordneten gehören auch zehn offene LGBTIQ-Politiker und Politikerinnen: zwei gehen in den Senat, acht ins Repräsentantenhaus. Amerikanische Medien sprechen von einer «Regenbogenwelle» die Washington erreicht und dem Land den diversesten Kongress aller Zeiten beschert habe. Ob aus der Welle ein Tsunami wird?

Einfluss auf künftige Debatten
Die viel diskutierte Diversität ist weitreichend und betrifft nicht nur LGBTIQ. Im Kongress sind erstmals über 100 Frauen vertreten, über 50 Schwarze, 39 Hispanoamerikaner, zwei weibliche Native Americans und zwei Muslimas. Laut der Organisation LGBTQ Victory Institute sei dies ein «Dammbruch» und ein «Wendepunkt» in der Geschichte der Gesetzgebung aus Bundesebene. Die Direktorin von LGBTQ Victory Institute, Annise Parker, sagte: «Eine historisch hohe Anzahl von LGBTIQ-Menschen wird im neuen US-Kongress dienen, und ihr Einfluss wird die Debatten über Gleichberechtigungsgesetze formen und bestimmte Themen voranbringen.»


Im US-Senat müssen jetzt all jene, die gegen den vieldiskutierten Equality Act sind, zwei LGBTIQ-Senatoren ins Auge schauen und ihnen sagen, dass ihr Leben nicht wert sei geschützt zu werden.

Gesundheits- und Strafrechtsreformen
Die Sprecherin des Hauses und neu gewählte Mehrheitsführerin, Nancy Pelosi, wird acht LGBTIQ-Repräsentanten haben, die sie befragen kann, wie Gesundheits- und Strafrechtsreformpläne ihre Communitys umittelbar beeinflussen.

Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, mit ihrem Facebook-Profilbild zum «Pride Month», Sommer 2018 (Foto: Facebook / House Speaker Nancy Pelosi)

«Die Beziehungen, die diese LGBTIQ-Gesetzgeber mit ihren Kollegen auf dem Kapitol aufbauen werden, werden das Klima dort verändern. Da auch noch eine niemals dagewesene Zahl von Frauen und People of Color diesem 116. Kongress beigetreten ist, werden Gleichberechtigungsthemen endlich die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen», so Annise Parker.


Native Americans
Die zehn LGBTIQ-Mitglieder, die ihre Communitys und Amerika vertreten werden, sind in alphabethischer Reihenfolge: Tammy Baldwin aus Wisconsin (sie war die erste jemals in den US-Senat gewählte lesbische Frau, die 2018 wiedergewählt wurde); David Cicilline aus Rhode Island; Angie Craig aus Minnesota; Sharice Davids aus Kansas (sie ist die erste homosexuelle Native American, die in den Kongress gewählt wurde); Katie Hill aus Kalifornien (die Bisexuelle hatte bei der Wahl den amtierenden homophoben Steve Knight geschlagen); Sean Patrick Maloney aus New York; Chris Pappas aus New Hampshire; Mark Pocan aus Wisconsin; Kyrsten Sinema aus Arizona (sie hat die Wahl knapp gewonnen gegen die homophobe Martha McSally, die nun allerdings die verbleibende Zeit des kürzlich verstorbenen John McCain übernehmen und daher zusammen mit Sinema im Senat sitzen wird); Mark Takano aus Kalifornien (der ersten offen schwule Mann mit asiatischen Wurzeln im Kongress).

Sharice Davids bei der Vereidigungszeremonie in Washington (2. v.r.) zusammen mit Nancy Pelosi und Kollegen (Foto: Facebook / Representative Sharice Davids)
Sharice Davids bei der Vereidigungszeremonie in Washington (2. v.r.) zusammen mit Nancy Pelosi und Kollegen (Foto: Facebook / Representative Sharice Davids)

Die künftige Arbeit steht natürlich auch im Zeichen der Präsidentschaftswahlen 2020. Trump steht zur Wiederwahl, die Parlamentsarbeit entsprechend im Schatten des Wahlkampfs. Zumal im Senat, der Gesetzen zustimmen muss, die Republikaner die Mehrheit besitzen.

Bekenntnis zur Politikreform
Das Gesetzespaket, das die Demokraten am Freitag vorstellen wollen, ist als Bekenntnis zu einer Politikreform zu verstehen. Es sieht neben der Steuererklärungsherausgabe (gegen die Trump sich sträubt) u.a. das Wahlrecht für ehemalige Häftlinge vor und unabhängige Entscheidungen über den Zuschnitt von Wahlkreisen. Letzteres hätte entscheidenden Einfluss auf den Wahlausgang 2020.

Die Chancen einer Verabschiedung im Senat sind vielleicht gering, doch die Botschaft ist klar: «Amerikas Demokratie ist kaputt – und die Demokraten wollen sie reparieren», wie es die Süddeutsche Zeitung formuliert.

Nancy Pelosi, die zum zweiten Mal zur Sprecherin gewählt wurde, versprach in ihrer Antrittsrede am Donnerstag, dass sie den sogenannten Equality Act durchbringen wolle, der LGBTIQ-Diskriminierung in allen Bundesstaaten verbieten soll. «Wir werden Amerika zu einem faireren Ort machen mit dem Equality Act und das vollständige Ende von Diskriminierung der LGBTIQ Community einläuten», so Pelosi.

Viel zu viele LGBTIQ-Personen sind jeden Tag konfrontiert mit unfairer und ungerechter Diskriminierung

Ihre Aussage wurde vom Präsidenten der Human Rights Campaign, Chad Griffin, gelobt. «Jetzt ist es an der Zeit, Gleichberechtigung wirklich voranzubringen mit dem Equality Act und sicherzustellen, dass LGBTIQ-Amerikaner arbeiten gehen, Familien aufziehen und ihr Leben frei von Diskriminierung leben können», meinte Griffin gegenüber der Zeitung Washington Blade.  «Viel zu viele LGBTIQ-Personen sind jeden Tag konfrontiert mit unfairer und ungerechter Diskriminierung, gegen die sie nur von einem Flickenteppich an Gesetzen in den unterschiedlichen Staaten geschützt werden. Wir sind Nancy Pelosi sehr dankbar, dass sie ihren Einsatz für dieses wichtige Gesetzesvorhaben noch einmal bestätigt hat. Sie will den historischen Moment nutzen und vollständige LGTIQ-Gleichberechtigung auf Bundesebene zur Realität machen», sagte Griffin.

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Neues Schreiben aus dem Justizministerium
Die Äusserungen von Pelosi, Griffin und Parker sollte man in Verbindung mit den neuesten Plänen der Trump-Administration sehen, die darauf zielen, genau solche Antidiskriminierungsgesetze über Bord zu werfen.

Ebenfalls am Donnerstag wurde ein Schreiben des Justizministeriums bekannt, in dem Mitarbeiter gefragt werden, wie man «disparate impact»-Regelungen (also solche, die verhindern, dass Menschen ungleich behandelt werden) ändern oder ganz abgeschafft könnte. Das berichtet die Washington Post. Die Regelungen betreffen verschiedene Ebenen des Zusammenlebens, u.a. das Bildungssystem und soziale Wohnungsprogramme. Betroffen sind verschiedene Minderheiten, zu denen auch die LGBTIQ Community zählt.

Entweder ist die Trump-Administration glückselig ahnungslos oder einfach unwillig zu verstehen, wie tief Diskriminierung in Amerika derzeit geht

Die Aktivistengruppe GLAAD reagierte empört auf das Schreiben des Justizministeriums: «Entweder ist die Trump-Administration glückselig ahnungslos oder einfach unwillig zu verstehen, wie tief Diskriminierung in Amerika derzeit geht», sagte Sarah Kate Ellis von GLAAD in einem Statement. «Eins ist klar: Wenn du Teil einer marginalisierten Gruppe bist, dann will Präsident Trump mit dir nichts zu tun haben. Diese permanenten Angriffe auf LGBTIQ und andere Minderheiten müssen aufhören!»

GLAAD wies darauf hin, dass dieser neueste Vorstoss Trumps bereits der 88. Fall sei, mit dem die derzeitige US-Regierung es auf die Liste des «The Trump Accountability Project» (TAP) geschafft habe. TAP ist ein Projekt, das die Anti-LGBTIQ-Statements und Handlungen von Trump und dessen innerstem Kreis auflistet.

Bis zur möglichen Wiederwahl Trumps 2020 wird die TAP-Liste wohl noch anwachsen.


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