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Brasilien: Queerer Heirats-Boom vor Bolsonaros Amtsübernahme

In der Community des südamerikanischen Landes herrscht trotz Torschlusspanik jede Menge Power

Montenegro
Symbolbild: Flickr/Blavou; www.smartphotocourses.com

Am 1. Januar übernimmt der selbsternannte «stolze Homophobe» Jair Bolsonaro die Präsidentschaft Brasiliens. So manche LGBTIQ wollen sich vorher noch rechtlich absichern. Sie erhalten dabei viel Unterstützung.

Die Furcht vor der einem Politikwechsel nach Amtsantritt des neuen Präsidenten, des rechtskonservativen Jair Bolsonaro, sitzt tief in der Community. Und sie ist berechtigt. Bolsonaro wurde mit Unterstützung der einflussreichen Evangelikalen Kirche gewählt, auch grosse Teile der katholischen und evangelischen Kirchen Brasiliens hat er auf seiner Seite. Ihnen allen sagte Bolsonaro zu, dass er die «wahre Bedeutung der Ehe als Vereinigung zwischen Mann und Frau» verteidigen und fördern werde. Deutet man diese Worte genau, kündigen sie zwar nicht die Abschaffung der Ehe für alle an, doch viele in Brasilien trauen Bolsonaro offenbar genau das zu.

«Wir hoffen das Beste für Brasilien, befürchten aber das Schlimmste»

Die Lage ist so brisant, dass die Direktorin der brasilianischen Anwaltskammer für sexuelle Vielfalt, Maria Berenice Dias, allen Heiratswilligen empfohlen hat, noch dieses Jahr «vorsorglich» zum Standesamt zu gehen. Und ihr Rat wird befolgt:

Im Vergleich zum Vorjahr schnellt die Zahl der gleichgeschlechtlichen Ehen über 25 Prozent in Höhe, in Brasiliens größter Stadt São Paulo sogar um 42 Prozent. Was aber machen all diejenigen, die sich eine derart kurzfristige Hochzeit gar nicht leisten können?


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Diese Frage stellte sich auch Rossanna Pinheiro, Inhaberin einer Karaoke-Bar, als sie am vergangenen Sonntag so durch die sozialen Netzwerke surfte. Ihr fiel dabei auf, dass unter dem Hashtag #casamentolgbt (#LGBTWEDDING) Dienstleistungen für Paare angeboten werden, die 2018 noch rasch heiraten wollen. Die umtriebige Dame beschloss, ebenfalls ihre Unterstützung anzubieten und die Angebote sogleich besser zu vernetzen. Bereits zwei Tage später hatte ihre neue Facebook-Seite hierfür mehr als 1.500 Abonnenten. Hunderte wollten helfen, in den verschiedensten Bereichen.

Nichts ist so stark, wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.

Entstanden ist eine neue Online-Bewegung, dank der sich nun sehr viele gleichgeschlechtliche Paaren noch vor Jahresende trauen werden. Manche zahlen für die Zeremonie eines weiteren Paares mit, andere planen eine gemeinsame Hochzeit. Der LGBTIQ-Verein Casa 1 aus São Paulo hat mal eben so viel Geld gesammelt, dass er eine riesige Hochzeitsparty für sage und schreibe 100 Paare ausrichten kann – und zudem alle Rechtskosten zahlt.

https://www.facebook.com/casaum/photos/a.1739772976274404/2141825582735806/?type=3&theater


Ausserdem erhielt der Verein genug Spenden, um die Notargebühren für 150 trans Personen zu übernehmen, die vor Bolsonaros Amtsantritt ihren Namen und ihr Geschlecht ändern wollen. Die Organisation der Massenhochzeit übernimmt der Eventmanager Caique Paz, selbstverständlich kostenlos.

«Ich habe etwas über die Idee gepostet und dachte, es würde nur meinen Kreis erreichen. Aber alle begannen zu teilen, viele meldeten sich freiwillig. Wir haben Buffet, Kellner, Friseure, Eventbetreuer – wir werden wohl alles ohne Kosten hinbekommen», sagt er begeistert. Das einzige, was nun noch fehlt, ist eine ausreichend große Location in São Paulo. Doch auch die wird sich finden. Wie heißt es so treffend: «Nichts ist so stark wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist».

Besonders, wenn die Zeit derart eilt. Und besonders mit soviel brasilianischer Queer-Power.

In der Januar/Februar-Ausgabe der MANNSCHAFT berichten wir ausführlich über die Lage in Brasilien: hier abonnieren (Deutschland) – und hier auch (Schweiz)!


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