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Der Anfang vom Ende von AIDS

Berlin als Fast Track City startet jetzt ein bundesweit einzigartiges Projekt

AIDS beenden
Foto: AdobeStock

Das AIDS-Programm der Vereinten Nationen (UNAIDS) will bis 2030 eine Welt ohne AIDS schaffen. Berlin startet dazu jetzt ein bundesweit einzigartiges Projekt. Doch die grösste Herausforderung bleibt das Thema Diskriminierung.

Mittlerweile bekommen mehr als die Hälfte aller Positiven weltweit lebensrettende HIV-Medikamente, und die Aids-Todesfälle haben sich von 2005 bis 2016 fast halbiert. Aber auf diesen Erfolgen wollen sich Gesundheitspolitiker und Aktivisten nicht ausruhen.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat die Hauptstadt 2016 zum Teil des Fast-Track-City-Projekts erklärt– es ist die einzige deutsche Stadt. Auch die Schweiz ist mit Genf dabei. Weltweit gehören der Initiative 97 Städte an. Havanna ist ebenso dabei wie Delhi, Tel Aviv und Amsterdam.

Ziel: Null Diskriminierung
„Unser gemeinsames Ziel lautet 90-90-90-0: 90 Prozent der HIV-Infizierten sollen von ihrer Infektion wissen, davon 90 Prozent in Behandlung sein und davon wiederum 90 Prozent das Virus nicht mehr weitergeben“, erklärte Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) vergangenes Jahr die Ziele der weltweiten Initiative. Die Null schließlich steht für das Ziel, Diskriminierung und Stigmatisierung zu beenden.


Eine Massnahme auf diesem Weg ist das bundesweit einzigartige Modellprojekt Checkpoint BLN, das in der kommenden Woche startet, wenn auch erstmal nur im kleineren Rahmen. Ab Mittwoch wird dort die PrEP an Menschen ausgegeben, die sie sich mit eigenen MItteln nicht leisten können. Zunächst bekommen sie etwa 60 Menschen, die auf einer Warteliste stehen und die für die Ausgabe einbestellt werden. Zunächst erhalten sie die Prophylaxe für einen Monat, dann erfolgt ein neuer HIV-Test, dann gibt es die PrEP für drei Monate. Auch auf STIs (sexuell übertragbare Infektionen) können sie sich dort testen lassen. Ein Arzt und ein Sozialarbeiter sind vor Ort.

AIDS beenden
Nicholas Feustel (Foto: Nils Peter)

Ab März 2019 soll die Arbeit des Checkpoint dann richtig losgehen. Ziel: Prävention, Diagnostik und Behandlung von HIV und sexuell übertragbaren Infektionen, alles unter einem Dach. Es richtet sich vor allem an Männer, die Sex mit Männern (MSM) haben, und an trans Menschen. Das niedrigschwellige Angebot kann täglich in Anspruch genommen werden, insgesamt an 30 Stunden pro Woche. Dort erhält man Beratung und medizinische Hilfe von spezialisierten HIV-Ärzten, kann HIV-Tests machen und sich impfen lassen, etwa gegen Hepatitis.

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Betrieben wird der Checkpoint von der Schwulenberatung Berlin und der Berliner AIDS-Hilfe gemeinsam mit niedergelassenen HIV-Ärzten. Finanziert wird die Einrichtung von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung im Rahmen der „Fast Track Cities Initiative“ mit insgesamt 2,15 Millionen Euro in diesem und im kommenden Jahr. Insgesamt stehen der Senatsverwaltung für Gesundheit 2018/19 rund 9,4 Millionen Euro für das Handlungsfeld HIV/Aids zur Verfügung.

Der HIV-Aktivist und Filmemacher Nicolas Feustel begrüßt die Einrichtung von Checkpoint, weil es einerseits das Testangebot in Deutschland wie auch das Angebot der medizinischen Begleitung von PrEP erweitert. Aber: „Von beidem brauchen wir dringend mehr!“, sagt er. „Ich ahne aber, dass dort überwiegend Leute durch die Tür gehen werden, die sich generell von dieser Art „Walk-in“ Testangebote angesprochen fühlen.

Sowohl für die Gesundheit von Menschen mit HIV als auch für die Prävention sollten wir mehr erreichen wollen!

Die 90-90-90-0 Ziele bis 2020 zu erreichen sind global gesehen ein sportliches Ziel, sagt Feustel . „Für Deutschland sollten wir uns aber eigentlich ein deutlich höheres Ziel setzen, denn auch bei 90-90-90 bleiben immer noch rund 27% aller Menschen, die mit HIV leben, die nichtin erfolgreicher Therapie sind. Sowohl für die Gesundheit von Menschen mit HIV als auch für die Prävention sollten wir da in kürzerer Zeit mehr erreichen wollen!“

Menschen mit HIV werden immer noch in polizeilichen Datenbanken in Deutschland gespeichert und HIV-Positive können nicht bei der Polizei arbeiten

Zum großen Ziel AIDS zu beenden, gehört aber auch, dass es null Diskriminierung von Menschen mit HIV gibt, sagt Carsten Schatz (Linke). Das erste offen HIV-positive Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses sieht da noch eine Menge Arbeit.

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„Davon sind wir noch immer weit entfernt, solange die Kriminalisierung der HIV-Übertragung noch immer Realität ist oder Menschen mit HIV in polizeilichen Datenbanken in Deutschland gespeichert werden (ANST), solange HIV-Positive nicht bei der Polizei arbeiten können.“

Wie VelsPol im Sommer berichtete, haben die leitenden Polizeiärzte der Polizeien der Länder und des Bundes auf einer Tagung vereinbart keine Menschen mit einer HIV-Infektion auch unter der Nachweisgrenze einzustellen.

Der ausführliche Artikel ist in der November-Ausgabe von MANNSCHAFT erschienen. Hier geht’s zum Abo (Deutschland) – und hier auch (Schweiz).


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