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Schwules Museum Berlin – Kampfabstimmung für neuen Vorstand?

„Unsere Gegner schlafen nicht und formieren sich gerade im Hintergrund“, warnte Vorstandsmitglied Vera Hofmann und warb für ihre Wiederwahl

Schwules Museum Berlin
Schwules Museum Berlin im neuen Corporate Design (Foto: Facebook/Florian Mecklenburg / Goys & Birls)

Im Schwulen Museum in Berlin (SMU) hängt der Haussegen schief, oder vielmehr: que(e)r, queerfeministisch. Die Vorwürfe gegen den amtierenden Vorstand wiegen schwer: Die Rede ist von Denkverboten, Mobbing, Rassismus. Drei schwule Mitglieder äußerten in der Juni-Ausgabe der Mannschaft ihre Unzufriedenheit (hier geht’s zum Abo (Deutschland) – und hier auch (Schweiz).

Axel Wippermann etwa, der seit 2013 Mitglied im Schwulen Museum (SMU), sagt: „Die Atmosphäre im Schwulen Museum ist so schrecklich geworden, dass ich es kaum noch schaffe, dort aufzutauchen, ohne dass es mir schlecht wird.“ Unter anderem weil durch den Vorstand, maßgeblich durch die beiden Frauen dort, eine Haltung kommuniziert wird, nach der weiße, schwule cis Männer mittlerweile eine gesellschaftlich privilegierte Gruppe seien, der darum Redeverbote erteilt werden.

Man schaut, wer ist das größte Opfer in der queeren Gemeinde, und dessen Position wird prominent verteidigt

Der Vorstand kommuniziere gerne nach außen, das Museum sei in seiner Ausrichtung queer-feministisch oder gar intersektional. Das könne man natürlich machen, an einer solchen Ausrichtung ist nichts verkehrt, findet Mischa Gawronski. Der 47-Jährige saß für ein Jahr im SMU-Vorstand und kritisiert: Von einer queer-feministischen Ausrichtung steht gar nichts in der Satzung. Er vermutet: Der Vorstand entwickelt kein Leitbild, weil es bei den Mitgliedern nicht durchkäme. Dennoch werde innerhalb des Museums eine „dominante Opferhaltung“ praktiziert, wie Mischa sagt: „Man schaut, wer ist das größte Opfer in der queeren Gemeinde, und dessen Position wird prominent verteidigt.“ Spoiler: Schwule Männer sind es nicht.

Schwules Museum Berlin
Gesehen im SMU auf einer der Tischplatten in der Dyke Bar: „Stirb, cis Abschaum!“ (Foto: privat)

Am Samstagabend wird im Schwulen Museum Berlin nun ein neuer Vorstand gewählt. Gawronski tritt ebenso an wie der dritte Kritiker aus unserem Mannschaft-Artikel, Mario Russo. Die beiden weiblichen Mitglieder, Birgit Bosold und Vera Hofmann, warnten vorab in einer Mail an Freunde und Unterstützer vor einer Kampfabstimmung. Um Unterstützung zu erhalten, forderten sie Freunde und Unterstützer auf, noch vor dem 29.9. wahlberechtigtes Mitglied zu werden und für die Frauen zu stimmen.

Unsere Gegner schlafen nicht und formieren sich gerade im Hintergrund

Hofmann hatte Mitte des Monats zudem in einem Facebook-Post gewarnt: „Unsere Gegner schlafen nicht und formieren sich gerade im Hintergrund. Menschen, die dem Museum und Einzelpersonen, inklusive mir als Frau natürlich, im letzten Jahr lautstark und öffentlich geschadet haben, meinen nun, sie könnten die Geschicke der queeren Bewegung adäquat vertreten.“

Kooperativer Prozeß statt Kampf
Von Kampfabstimmung zu reden, halten einige männliche Bewerber allerdings für „vollkommen überzogen“, etwa Dirk Sander, Fachreferent für HIV-Prävention und Gesundheitsförderung für schwule und bisexuelle Männer* in der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. .„Veränderung und Weiterentwicklung sollten die zukünftige Arbeit des Museums leiten. Das sehe ich als kooperativen Prozeß, in den alle im Verein einbezogen sind, nicht als ‚Kampf'“, erklärte Sander gegenüber Mannschaft.

Johannes Kram
Johannes Kram (Foto: Markus Lücke)

Auch der Filmemacher Jochen Hick („Mein wunderbares West-Berlin“) tritt an, der die Vorabmitteilung von Hofmann kritisch sieht. „Wer von „Kampfabstimmung“ spricht, behauptet unüberbrückbare Differenzen. Das führt uns meines Erachtens in der jetzigen Situation nicht weiter“, so Hick gegenüber Mannschaft.

Auch der Nollendorfblogger Johannes Kram, bewirbt sich,
der vorab in der Vorstellung der Kandidat*innen zur Vorstandswahl 2018 erklärte, er würde gerne „konzeptionell dazu beitragen, dass das SMU noch mehr als Debattenraum wahrgenommen wird“. Kram weiter: „Ich möchte mich gerne sowohl mit meiner beruflichen Erfahrung als auch in meiner Rolle als explizit schwuler und queerer Aktivist einbringen.“

Auch Brigitte Oytoy bewirbt sich, eine „Berliner Polittunte aus der tuntische Tradition des Waldschlösschens“, wie sie sich selbst beschreibt. Im Vorstand des Schwulen Museums wolle sie sich insbesondere in der Planung und Umsetzung des Veranstaltungsprogramms, in der Vernetzung und in den laufenden Öffnungsprozess einbringen, so Oytoy.


Insgesamt bewerben sich 15 Kandidaten für den achtköpfigen Vorstand, darunter auch Mitglieder des jetzigen Vorstands wie Jan-Claus Müller und Heiner Schulze sowie Vera Hofmann und Birgit Bosold. Die Frauen hoben mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen in der Mail an potenzielle Unterstützer ihre zurückliegende Arbeit hervor, die sie weiterführen wollen. Man habe mit der Arbeit der letzten beiden Jahre, dem postkolonialen Schwerpunkt 2017 und dem Jahr der Frau_en 2018  einen „programmatischen Wandel“ im Schwulen Museum vollzogen, erklären sie.

Die mühsam herangezogenen zarten Pflänzchen der Weiblichkeiten* nicht zertrampeln lassen

Das Schwule Museum sei ein schwieriger Ort, so Hofmann, „rückständig teilweise trotz seiner Progressivität in vielen Bereichen“. Weiter schrieb sie, sie wollte dazu beitragen, einen „diskriminierungsärmeren Ort zu schaffen, strukturelle Diversität ernsthaft anzugehen, ästhetische Praxis mit Verkörperung und Theorie zu verknüpfen und die mühsam herangezogenen zarten Pflänzchen der Weiblichkeiten* nicht zertrampeln zu lassen“.

Jean-Claude Hollerich

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