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Bundespräsident Steinmeier bittet LGBTIQ-Community um Vergebung

homosexuelle NS-Opfer
Festakt zu 10 Jahre Denkmal für homosexuelle NS-Opfer am 3. Juni 2018, v.l.n.r Günter Dworek, Gulya Sultanova, F.W. Steinmeier, Elke Büdenbender & Michael Müller (Foto: Kriss Rudolph)

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, zitiert Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede beim Festakt zu 10 Jahre Denkmal für homosexuelle NS-Opfer im Tiergarten aus dem Grundgesetz. Aber zu lange wurde die Würde queerer Menschen in Deutschland angetastet. Darum bat Steinmeier die LGBTIQ-Community am Sonntag um Vergebung. Wörtlich sagte er: „Ihr Land hat Sie zu lange warten lassen. Deshalb bitte ich heute um Vergebung – für all das geschehene Leid und Unrecht, und für das lange Schweigen, das darauf folgte.“ Dafür erntete er lang anhaltenden Applaus.

Die vier NS-Mahnmäler in Berlin seien von Bürgern eingefordert worden, so Steinmeier. „Politik und Staat ließen sich lange bitten.“ Das gelte auch für das Denkmal für die ermordeten homosexuellen NS-Opfer. „Für all diejenigen, deren Sexualität schon vor 1945 als eine Straftat galt, für sie persönlich war der 8. Mai 1945 nicht wirklich ein Tag der Befreiung“, so der Bundespräsident.

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Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender betrachten das neue Video als erste (Foto: Kriss Rudolph)

„Wir gedenken der über 50.000 homosexuellen Nazi-Opfer“, so Steinmeier. Gedacht wurde auch derer, die verfolgt wurden, weil sie lesbisch, bi-, inter- oder transsexuell waren. „Dem Wahnsinn fielen Zehntausende zum Opfer“, sagte der Bundespräsident. Ausdrücklich erwähnte er Vorkämpfer wie Karl Heinrich Ulrichs und Magnus Hirschfeld, deren Erbe man nach 1945 „nicht eilig hatte, wieder herzustellen“.


Trauer über homosexuelle NS-Opfer
Michael Müller (SPD) sprach von Trauer und Wut angesichts der massenhaften Verfolgung und Vernichtung queerer Menschen in Nazi-Deutschland. „Es besorgt mich“, so Berlins Regierender Bürgermeister, „dass das schwule Anti Gewalt-Projekt Maneo steigende Zahlen homo- und transphober Gewalt meldet.“

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Günter Dworek ist einer der Initiatoren des Denkmals (Foto: Kriss Rudolph)

Auf die Rekordzahlen von Hassgewalt ging auch Günter Dworek ein. „Das darf die Gesellschaft nicht kalt lassen“, sagte er als einer der Initiatoren des Denkmals und Vorstandsmitglied im Lesben- und Schwulenverband (LSVD) sowie
Mitglied im Beirat der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. „Wo bleibt der öffentliche Aufschrei?, fragte Dworek. „Warum beschließt keine deutscher Innenminister ein Maßnahmenpaket gegen diese Form von Gewalt?“

Dworek würdigte ausdrücklich die Tatsache, dass sich erstmals ein deutsches Staatsoberhaupt am Denkmal zeigte. „Sehr geehrter Bundespräsident, das bedeutet für uns Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen sehr, sehr viel!“


Die dem Denkmal für homosexuelle NS-Opfer innewohnende Mahnung hat nichts an Aktualität eingebüßt

Als vierte Rednerin war Gulya Sultanova gekommen, die russische Menschenrechtsaktivistin und Organisatorin des LGBT-Filmfestivals „Side by Side“ in St. Petersburg. Sie verwies auf die schweren Menschenrechtsverletzungen in Russland und vor allem in Tschetschenien und mahnte: Jede Verfolgung von Minderheiten in einem Teil der Erde müsse als Verfolgung von Minderheiten auf der Welt wahrgenommen werden.

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Bundespräsident Steinmeier und Berlins Regierender Bürgermeister Müller hinterließen Kränze am Denkmal (Foto: Kriss Rudolph)

In einer Pressemitteilung hatte die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters (CDU), das Denkmal vorab gewürdigt: „Es ist mir ein Anliegen, das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen deshalb zu würdigen, weil es in den vergangenen zehn Jahren seines Bestehens eine Sichtbarkeit für das Thema entfaltet hat. Es hat sich hier in der Mitte Berlins als unverzichtbarer Bestandteil eines umfassenden Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus etabliert. Der Gedenkort dient nicht nur der Erinnerung an die Schrecken der Vergangenheit, er ist auch Ausdruck unserer Überzeugung, dass in unserem Land die Diskriminierung Homosexueller, Andersdenkender und Anderslebender keinen Platz haben darf.“ Die dem Denkmal innewohnende Mahnung habe nichts an Aktualität eingebüßt, so Grütters. „Wir alle sind aufgefordert, uns aktiv einzusetzen für Menschenwürde, Freiheit und Toleranz in unserer Gesellschaft.“

homosexuelle NS-Opfer
Die israelische Filmemacherin Yael Bartana (re) und der Chinese Sun Mo, der in dem neuen Film im Denkmal einen Mann küsst (Foto: Kriss Rudolph)

Das Denkmal war vom dänisch-norwegischen Künstler-Duo Michael Elmgreen und Ingar Dragset entworfen worden. Die Künstler griffen dabei die Formensprache des Holocaustdenkmals auf und ergänzten sie durch ein zusätzliches Element: In einer Fensteröffnung ist ein Film mit einer Kuss-Szene zu sehen, der in einer Dauerschleife läuft – es begann mit einem Männerkuss, der 2010 von zwei küssenden Frauen abgelöst wurde.

Denkmal wurde mehrfach demoliert und beschädigt
Seit dem 3. Juni wird hier ein neu produzierter Film der israelischen Videokünstlerin Yael Bartana gezeigt. Zu sehen sind küssende Männer und küssende Frauen, im Hintergrund werden Fotos der ersten Demos für queere Rechte in Deutschland gezeigt. Die Sichtscheibe im Denkmal wurde seit 2008 mehrfach demoliert und beschädigt. Das Denkmal wurde auf Beschluss des Deutschen Bundestages gebaut und am 27. Mai 2008 der Öffentlichkeit übergeben; Initiatoren waren die Initiative „Der homosexuellen NS-Opfer gedenken“ sowie der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD). Es wird von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas betrieben, die aus dem Etat der Staatsministerin für Kultur und Medien finanziert wird.


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