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Queerer Buchtipp: «Stellt euch vor, ich bin fort» von Adam Haslett

Adam Haslett
Autorenfoto: Beowulf Sheehan

Ein grosser Mittelklassefamilienroman, findet unser Rezensent. Die Figuren sind unglaublich liebevoll gezeichnet, selten wird in einem Buch die schwule Figur so positiv und herzerwärmend beschrieben wird.

Mannschaft stellt jeden Monat ein Buch vor, das schwule Buchhändler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz empfehlen. Adam Hasletts „Stellt euch vor, ich bin fort“ hat Roland Müller-Flashar vom Buchladen Eisenherz in Berlin für uns gelesen.

Der erste Satz
Als ich aus der Hütte trat, blendete mich das Weiß. Der schneebedeckte Vorplatz gleißte im Sonnenlicht. Von den Eiszapfen am Dach des Schuppens tropfte Schmelzwasser. Die Tannen, die schwarz und reglos vor dem grauen Himmel gestanden hatten, wirkten im frischen Licht wieder lebendig , grün und feucht. Michael und ich hatten Fußabdrücke auf dem verschneiten Weg hinterlassen und die lösten sich jetzt auf und zerschmolzen auf den Steinplatten zu Ovalen.


Das Genre
Ein Familienroman über eine dysfunktionale amerikanische Mittelstandsfamilie, in der der Vater an Depressionen leidet und die psychischen Leiden weitervererbt. Die Familie wird mehr oder weniger von der Mutter zusammengehalten. Abwechselnd erzählen alle Familienmitglieder aus ihren jeweiligen Perspektiven und die Geschichte entwickelt sich weiter. Adam Hasletts neuer Roman wird –meiner Meinung nach zurecht- mit Jonathan Frantzens „Korrekturen“ verglichen und wurde für den Pulitzer – Preis und den National Book Award nominiert.

Alec, der Jüngste, ist schwul, und schafft es erst relativ spät, sich von seinem promisken Lebensstil zu verabschieden, da er sich verliebt und von seinem neuen Liebhaber quasi ‚gerettet‘ wird.

Die Handlung
Vater, Mutter, zwei Söhne und eine Tochter. Die fünf unterschiedlichen Charaktere erzählen und entwickeln sich im Laufe des Plots. Die Depression ist der rote Faden, der sich durch die Geschichte zieht. Der Vater erkrankt schon in den 60er Jahren daran, bevor er Margaret heiratet. Sie weiß ziemlich genau, auf was sie sich einlässt. Allerdings ahnt niemand, dass dem Vater ein Suizid gelingen wird … Der Hauptteil des Romans beschreibt, was der Tod mit den einzelnen Familienmitgliedern macht. Die Kinder entwickeln sich ganz unterschiedlich: Michael, der Älteste, ein Musiknerd, schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch und erkrankt später, wie sein Vater auch, an Depressionen. Seine Geschwister und seine Mutter versuchen, ihn zu beschützen und zu retten. Celia arbeitet als Sozialarbeiterin und versucht angestrengt, die vermeintlichen Fehler ihrer Mutter bei sich zu vermeiden. Alec, der Jüngste, ist schwul, arbeitet als Journalist in New York und schafft es erst relativ spät, sich von seinem promisken Lebensstil zu verabschieden, da er sich verliebt und von seinem neuen Liebhaber quasi „gerettet“ wird. Mutter Margaret ist Bibliothekarin und sie versucht mit ihrer charmanten Altersweisheit die Familie zusammenzuhalten, was ihr manchmal besser, manchmal schlechter gelingt.

Das Urteil
Ein großer Mittelklassefamilienroman. Er beleuchtet die Vor- und Nachteile von Familienbanden und wie schwer es ist, diesen zu entkommen; er beschreibt aber auch, wie Familie Halt und Stärke geben kann. Die Figuren sind unglaublich liebevoll gezeichnet, und tatsächlich habe ich selten ein Buch gelesen, in dem der Homo der Geschichte so positiv und herzerwärmend beschrieben wird. Man lernt auch viel über die Krankheit Depression. Dieses Thema sollte nicht abschrecken, denn wir haben es hier nicht mit einem Buch zu tun, das uns am Ende in den Abgrund treibt. Dem Autoren Adam Haslett gelingt es hervorragend, die warme und liebevolle Atmosphäre bis zum Schluss aufrechtzuerhalten, hier wird keine Trauergeschichte erzählt.


Adam Haslett: „Stellt euch vor, ich bin fort“
Rowohlt, 464 Seiten
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Noch mehr queere Buchempfehlungen gibt es hier: „Solo“ von Christoph Wurmdobler.

Und hier: „Zeithain“ von Michael Roes.


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