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Barbies vs. Business

Ist Einkaufen nach Geschlecht noch zeitgemäss?

Vermehrt nachhaltig
Den nächsten Stopp legt Michel Rudin bei der Berner Filiale von «Fizzen» ein. Dieses Label bietet nebst neuen Teilen auch Vintage-Klamotten sowie sogenannte «reworked and upcycled clothing» an – Kleidungsstücke also, die aus «alten Lederjacken, Mänteln, Röcken und anderen Vintage-Kleidern zu neuen Artikeln umgearbeitet werden», schreibt Fizzen auf der eigenen Homepage.

Den Vorteil solcher Secondhand-Mode sieht Michel Rudin in der Nachhaltigkeit. Man könne sich schon fragen, warum man so viele Kleidungsstücke einfach wegwerfe, sagt er. «Wir geben unserer Garderobe auf deren Alter hin oft keinen Wert mehr». Bei Möbeln sehe das anders aus, Antiquitäten stünden oft hoch im Kurs – «warum gilt dies bei den Klamotten nicht auch»? Rudin sieht allerdings Fortschritte in dieser Hinsicht. «Auch grosse Modefirmen achten zunehmend auf Nachhaltigkeit.» Als Beispiel nennt er den schwedischen Textil-Giganten H&M. Dieser fordert seine Kunden seit einiger Zeit auf, «aussortierte Kleidung in eine der H&M-Filialen zu bringen», damit sie wieder verwendet oder verwertet werden könne.

Individuelle Note
Darüber hinaus hätten ältere Kleidungsstücke auch etwas mit Individualität zu tun, findet der ehemalige Konsumentenschützer. Schlussendlich gehe es bei Klamotten darum, dass sie gut zu einem passten und bequem seien. «Da hat auch etwas Älteres Platz – gerade auch, weil es einen Look persönlicher machen kann.» Es gehe ihm nicht darum, dass nur noch Secondhand-Teile gekauft würden, stellt Rudin klar. «Auch ich kaufe natürlich neue Dinge». Der Reiz liege in der Kombination.


Neuer Trend zur Nachhaltigkeit: Unter der Bezeichnung «Reworked» findet weiterverarbeitete Secondhand-Kleidung neue Besitzer. (Bild: MG Stanton)

Vielseitiges Einkaufen
An dieser Stelle weist er auch darauf hin, dass sich seiner Meinung nach das Shoppingverhalten der Leute verändert habe. Die Konsumenten seien unberechenbarer und mündiger geworden. «Manches wird im Ausland erstanden, anderes auf dem Flohmarkt, jenes bei der preiswerten Modekette und dieses auch in der teuren Boutique.» Eine Zeit lang habe man angenommen, die Leute kauften gemäss ihrem Kontostand fast ausschliesslich entweder teuer oder billig ein, sagt er.

Heute stelle man fest, dass die Kundschaft ihre Kaufentscheide vermehrt nach ihrem konkreten Bedürfnis fälle. Die Unterwäsche für Sport sei heute zum Beispiel oft eine andere als diejenige, die man vor dem Freund trage. «Dementsprechend kauft man an verschiedenen Orten ein und gibt unterschiedlich viel Geld dafür aus.»

Vorsicht vor Überstilisierung
Schliesslich kommt Michel Rudin auch auf den Konsum bei Schwulen zu sprechen. «Ich stelle öfters fest, dass bei uns der Selbstwert einer Person über Shopping und Kleidung definiert wird.» In gewissen Schwulenkreisen sei es schon sehr wichtig, in welchen Restaurants und Clubs man verkehre, welche Klamotten man trage. «Das kann Druck erzeugen.» Sich pflegen, sich schön anziehen wollen, das sei an sich kein Problem, findet er. «Das ist auch Ausdruck von Lebensfreude.»


In gewissen Schwulenkreisen sei es schon sehr wichtig, in welchen Restaurants und Clubs man verkehre.

Heikel werde es aber dann, wenn beim Essen jedes Gramm abgewogen werde, damit die Skinny Jeans passt, und man Geld ausgebe, über das man gar nicht verfüge. «Es wichtig zu erkennen, dass es nicht nur den Prototyp des reichen schwulen Mannes gibt – und das ist auch in Ordnung so». Die Szene sei ein Querschnitt aller sozialen Schichten. Diesem Umstand solle man Rechnung tragen. «Leben und leben lassen, das ist die Devise», findet Rudin. «Da müssen wir uns selbst noch vermehrt an der Nase nehmen und einsehen, dass Kleidungsstücke nichts über den Wert einer Person aussagen.»

Schwule in der Werbung
Im Zusammenhang mit den Themen «Schwulsein» und «Konsum» fällt auch immer wieder der Begriff des «Pinkwashing». Damit werden Marketingstrategien beschrieben, die Unternehmen als LGBT-freundlich erscheinen lassen. Beispiele hierfür gibt es unterdessen viele: Die Schweizer Versicherungsgesellschaft «Mobiliar» zum Beispiel bildete auf einem Werbeplakat ein schwules Paar ab, der schwedische Vodka-­Hersteller «Absolut» produziert regenbogenfarbene Flaschen und unterstützt Gay-Events, und Burger King lancierte anlässlich der San Francisco Pride vor zwei Jahren den «Proud Whopper» – einen Burger in Regenbogenverpackung, deren Innenseite der Slogan «Innen sind wir alle gleich» zierte.

Michael Rudin – Ehemaliger Geschäftsführer Konsumentenforum kf

Wichtige Zielgruppe
Was sagt der Experte zu dieser Werbestrategie? Zum einen sei sie absolut verständlich, sagt er, schliesslich bildeten Schwule mit einem Marktanteil von fünf bis zehn Prozent ein attraktives Kundensegment. «Zum anderen finde ich es schön, wenn man auf unsere Bedürfnisse eingeht und uns als Kundengruppe ernst und wahrnimmt.» Natürlich würden auch hier wieder diejenigen ausgegrenzt, die sich die beworbenen Güter nicht leisten können. «Das ist aber ein ganz allgemeines und kein schwulenspezifisches Problem», sagt Michel Rudin. «Da ist es wichtig, sich abzugrenzen und nicht unter Druck setzen zu lassen.»  


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