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30 Jahre Welt-AIDS-Tag – Diskriminierung bleibt

Welt Aids Tag
Max (21) ist positiv (Foto: privat)

Eine repräsentative Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung offenbart Berührungsängste und Wissenslücken. So wissen mehr als 90% der Befragten nicht, dass eine gut wirksame HIV-Therapie auch die Übertragung von HIV verhindert.

Am Freitag wird zum 30. Mal der Welt-AIDS-Tag begangen. Die große Gemeinschaftskampagne in Deutschland steht unter dem Titel #positivzusammenleben. UNAIDS hat den Welt-AIDS-Tag unter das Motto „Meine Gesundheit, mein Recht“ gestellt. Mit diesen Aktionen begeht die Schweiz den Tag.

„Der Welt-Aids-Tag ist der Tag der Solidarität mit HIV-positiven Menschen. Er soll Diskriminierung und Zurückweisung entgegenwirken und ein unbefangenes Miteinander stärken“, erklärt Winfried Holz vom Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe. „Ängste und veraltete Vorstellungen vom Leben mit HIV möchten wir durch realistische Bilder ersetzen. Solidarisch mit positiven Menschen zu sein bedeutet heute vor allem, Selbstverständlichkeit im täglichen Umgang miteinander zu fördern.“

Menschen mit HIV haben heute bei rechtzeitiger Diagnose und Behandlung eine fast normale Lebenserwartung und können leben wie andere Menschen auch: Job, Familie, unbelastete Sexualität und Familienplanung inklusive. Denn eine gut wirksame HIV-Therapie verhindert auch die Übertragung von HIV. Diese Botschaft ist aber bei vielen noch nicht angekommen.


Eine gut wirksame HIV-Therapie verhindert die Übertragung von HIV

Über seine Erfahrungen spricht der 21-jährige Max. Er studiert in Jena Pharmazie und hat sich vor mehr als einem Jahr als HIV-positiv geoutet. Im Interview mit ICH WEISS WAS ICH TU erzählt er:

„Gerade heute, wo mein HIV-Status für mich selbst schon ganz normal geworden ist, bin ich immer wieder überrascht davon, wieviel Sorgen sich manche machen. Nicht davor, sich bei mir zu infizieren. Darüber wissen die Allermeisten ganz gut Bescheid. Aber viele denken immer noch, ich würde jetzt ja wohl irgendwann krank werden und dann viel zu früh sterben, oder sowas. Und denen dann klar zu machen, dass es mir echt gut geht und ich durch HIV eigentlich überhaupt nicht beeinträchtigt bin, ist nicht immer einfach. Das nervt ab und zu dann doch.“

„Beim Dating im Internet kommt die Sache auch irgendwann zur Sprache, und viele reagieren mit großer Selbstverständlichkeit. Aber einige auch nicht“, sagt Max. „Da muss ich dann erklären, dass Schutz durch Therapie funktioniert und ich nicht infektiös bin.“


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Max studiert in Jena Pharmazie und hat sich vor mehr als einem Jahr als HIV-positiv geoutet. (Bild: privat)

Diskriminierung entgegenwirken

Nach wie vor wird Menschen mit HIV ihr Leben durch Diskriminierung schwer gemacht. Zurückweisung im Alltag, zum Beispiel im Gesundheitssystem oder im Job, und abwertende Äußerungen sind laut DAH immer noch an der Tagesordnung. Grund sind meist irrationale Ängste und moralische Urteile. Eine kürzlich veröffentlichte repräsentative Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung offenbart erschütternde Berührungsängste sowie Wissenslücken. Unter anderem wissen mehr als 90% der Befragten nicht, dass eine gut wirksame HIV-Therapie auch die Übertragung von HIV verhindert.

„Am Ziel sind wir erst, wenn die Mitteilung, dass jemand HIV-positiv ist, keine Ängste, keine Sonderbehandlung, keine  Mitleidsbekundungen und keine Schuldzuweisungen mehr nach sich zieht“, so DAH-Vorstand Winfried Holz. „Es wird uns nicht gelingen, Ablehnung zu verhindern, so lange Menschen Sexualität und Lebensstil anderer beurteilen und glauben, Verhalten sei komplett über den Verstand steuerbar. HIV-positive Menschen haben keinen Grund sich zu schämen, sondern dürfen sich selbstbewusst zeigen!“

Zugleich bedeutet Solidarität, niemanden von der HIV-Behandlung auszuschließen und allen Menschen den Zugang zu Test und Behandlung zu ebnen.

Laut Robert-Koch-Institut leben 12.700 Menschen unwissentlich mit HIV

Im Jahr 2016 erkrankten in Deutschland 1.100 Menschen an Aids oder einem schweren Immundefekt, obwohl es vermeidbar gewesen wäre: Sie wussten jahrelang nichts von ihrer Infektion, erfuhren erst durch die schwere Folgeerkrankung davon. Zurzeit leben in Deutschland nach einer Schätzung des Robert-Koch-Instituts 12.700 Menschen unwissentlich mit HIV. Viele scheuen den HIV-Test und verdrängen Risiken, weil sie viel zu dramatische Vorstellungen vom Leben mit HIV haben, Ablehnung oder Schuldzuweisungen fürchten. Sie bleiben daher unbehandelt – oft mit schweren gesundheitlichen Folgen. Eine Behandlung würde zugleich die weitere Übertragung von HIV verhindern.

„Realistische Bilder von HIV und Engagement gegen Diskriminierung sind wichtig, um die Gesundheit von Menschen zu schützen und Neuinfektionen zu verhindern: Viele Menschen können nur so Zugang zu Test und Behandlung finden“, so Holz.

Medizinische Versorgung für alle

Dringend geboten ist außerdem der anonyme Zugang von Menschen ohne Aufenthaltspapiere zu medizinischer Versorgung. Aus berechtigter Angst vor Abschiebung trauen sie sich oft nicht in Behandlung – Aidserkrankungen und immer wieder auch Todesfälle sind die Folge. Auch hier gilt: Eine frühe Therapie könnte weitere HIV-Infektionen verhindern und dem Gesundheitssystem Kosten sparen.

„Es darf nicht sein, dass im reichen Deutschland Menschen an Aids erkranken, obwohl es vermeidbar ist“ betont Holz. International muss sich Deutschland noch mehr dafür einsetzen, dass alle Menschen mit HIV Zugang zur HIV-Therapie erhalten, unter anderem durch höhere Zahlungen an den Globalen Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM) und ein verstärktes Engagement in Osteuropa.


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