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Hassgewalt gegen Schwule: Wie kann Opferhilfe und Prävention verbessert werden?

Berlin, vergangene Woche: Zwei Männer werden abends am Alexanderplatz schwulenfeindlich beleidigt und verprügelt; einer der beiden Täter soll ein Messer gezückt haben. Der jüngste Fall in einer Reihe von vorurteilsmotivierten Strafteten gegen ein Mitglied der LGBTI-Gemeinde. Einer der beiden Opfer, der 27-jährige Party-Veranstalter Dan, machte den Fall bei Facebook öffentlich und schrieb:

„Gestern Abend sind Allucard und ich über dem Alexanderplatz gelaufen als mich ein Südländer und ein Osteuropäer höflich für eine Zigarette gefragt haben, die ich daraufhin freundlicherweise gegeben habe… Plötzlich sagt der Südländer, dass er mit den ‚Schwanz‘ abschneiden möchte [ ‚… ich schneide Dir den Schwanz ab, Du scheiß Schwuchtel!‘ ].“

Hassgewalt gegen Schwule
Foto: Facebook/privat

Weiter schreibt Dan: „Gleichzeitig hat er mir mit seiner Faust ins Gesicht geschlagen… als ich auf dem Boden wach wurde stand Allucard beschützend zwischen dem Südländer und mir und dabei ebenfalls eine Faust abbekommen. Ich bin aufgestanden und Allucard zum rennen aufgefordert, da der Südländer ein Messer in seiner Hand hatte. Wir wurden noch wenige Schritte verfolgt und beschimpft aber haben uns dann aus den Augen verloren.“


Der Übergriff hat viel Aufsehen erregt. Auch weil Dan die Öffentlichkeit gesucht hat. Noch immer scheuen sich Opfer von Hassgewalt davor, über die Erfahrung zu sprechen oder gar zur Polizei zu gehen.

Binnen 15 Jahren hat sich die Zahl der gemeldeten LGBTI-feindlichen Übergriffe versechsfacht

Das Bundesinnenministerium hat eine Übersicht zusammengestellt, die die Entwicklung von 2001 bis 2016 verdeutlicht: Wurden bis 2007 pro Jahr Fälle von Hasskriminalität aufgrund von sexueller Orientierung bzw. geschlechtlicher Identität in zweistelliger Höhe registriert, stieg die Zahl 2008 auf 110 Fälle (2007: 63). Im Jahr 2016 lag sie fast dreimal so hoch: 316 Fälle. Binnen 15 Jahren haben sich die gemeldeten LGBTI-feindlichen Übergriffe mehr als versechsfacht.


Hassgewalt gegen Schwule
„PMK“ steht für Politisch Motivierte Kriminalität (Quelle: Bundesinnenministerium)

Das allein ist ein Warnsignal. Es gibt zudem einen guten Grund, diese Zahlen anzuzweifeln: Sie sind noch zu niedrig. Für das Jahr 2015 spricht die Statistik der Bundesregierung von deutschlandweit 222 Fällen. Das schwule Anti-Gewalt-Projekt in Berlin MANEO hat allerdings im selben Jahr 259 Straftaten LGBIT-feindliche Übergriffe registriert – und zwar nur für Berlin.

Hier hat die Polizei seit über 25 Jahren die Stelle eines Ansprechpartners bzw. einer Ansprechpartnerin für LGBTI, „um die Brücke zur Community tragfähig und stabil zu halten“, wie es Polizeipräsident Klaus Kandt in seinem Grußwort zu einer Fachkonferenz sagt, die MANEO am Donnerstag und Freitag im Berliner Rathaus ausrichtet. „Im Laufe der Jahre haben wir erkannt, dass die Verbindung mit Akteurinnen und Akteuren der Community, aber auch mit der Zivilgesellschaft und anderen Behörden unabdingbar sind“, so Kandt weiter.

Hamburg folgt dem Berliner Beispiel

Bis Anfang des Jahres bildete die Hauptstadt darin eine Ausnahme. Nun ist nach über einem Vierteljahrhundert Hamburg nachgezogen und hat Anfang des Jahres als zweites Bundesland mit zwei Vollzeitstellen nachgezogen: das zwei hauptamtlich bestellte Ansprechpartner, die Zeit für ihre Aufgabe und sich nicht nur nebenamtlich mit dem Thema LGBTI-feindliche Gewalt unterscheiden.

Was passiert im Rest der Republik? In Sachsen-Anhalt etwa gibt es Pläne, einen hauptamtlichen Ansprechpartner für LGBTI im Polizeiverwaltungamt zu etablieren – so steht es jedenfalls im Koalitionsvertrag, den CDU, SPD und Grüne geschlossen haben, vor eineinhalb Jahren. Bisher ist nichts geschehen.

Bedarf gäbe es u.a. auch in Bayern. Dort sind laut Innenministerium die Zahlen von Hasskriminalität wegen sexueller Orientierung in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Gab es im Jahr 2007 nur vier angezeigte Straftaten, waren es 2014 bereits 49: Volksverhetzung, Beleidigung und vereinzelt Körperverletzung.

Heiko Maas
Wird mit dem Tolerantia Award geehrt: Heiko Maas (Foto: heiko-maas.de)

Wie gehen andere Länder mit dem Thema Hassgewalt um? Die Schweiz, Frankreich, Großbritannien, die USA? Aus diesen und vielen anderen Ländern kommen Fachleute – Aktivisten, Polizisten, auch eine Staatsanwältin aus Denver, die von ihren Erfahrungen berichten.

Am Donnerstagabend schließlich wird zudem Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz, Heiko Maas (SPD) mit dem europäischen Tolerantia Award 2017 geehrt. Er brachte die in diesem Jahr beschlossene Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern des Paragrafen 175 auf den Weg.


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