Nach einer neu formulierten Richtlinie der Bundesärztekammer dürfen schwule und bisexuelle Männer fortan zur Blutspende zugelassen, sofern sie ein Jahr keinen Sex hatten. Unter derselben Voraussetzung sollen auch Sexarbeiter Blut spenden dürfen. Wörtlich heißt es in der Gesamtnovelle 2017 der Richtlinie Hämotherapie, die seit vergangener Woche online nachzulesen ist:
Zur Lockerung des pauschalen Ausschlusses von der Blutspende erklärt Björn Beck vom Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe:
„Die neue Regelung geht nicht weit genug. Eine HIV-Infektion kann man heute sechs Wochen nach dem letzten Risiko sicher ausschließen. Diese Frist wäre nachvollziehbar. Eine Frist von einem Jahr schließt die meisten schwulen und bisexuellen Männer weiterhin unnötig von der Blutspende aus. Das ist nicht mehr als Kosmetik und eine Unverschämtheit.“ Nicht akzeptabel und „völlig unverständlich“, so DAH-Vorstand Beck weiter, sei zudem die gesonderte Nennung von „transsexuellen Personen mit sexuellem Risikoverhalten“.
Der Lesben- und Schwulenverband LSVD nennt die Verfasser der Richtlinie „vorurteilsbehaftet“. So komme es bei Heteros nicht auf die wechselnden Sexpartner an, sondern darauf, ob der Kontakt safe oder unsafe sei. LSVD-Sprecher Axel Hochrein zufolge sei das Papier der Bundesärztekammer wissenschaftlich „nicht haltbar“. Dagegen bezeichnete Frank Ulrich Montgomery, der Präsident der Bundesärztekammer, gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt die überarbeitete Richtlinie als „ein Beispiel für die fachliche Kompetenz und Handlungsfähigkeit der ärztlichen Selbstverwaltung“.
In der Schweiz gilt die 12-Monate-Regelung zur Enthaltsamkeit bereits seit Juli. England und Schottland sind deutlich weiter: Dort ist künftig eine Blutspende für MSM nach drei Monaten möglich.
Der Europäische Gerichtshof hatte 2015 geurteilt, dass ein Ausschluss von Schwulen bei der Blutspende zwar gerechtfertigt sein könnte. Allerdings sei zu klären, ob es keine geeigneten Alternativen zu einem Verbot gebe – etwa wirksame Testmethoden für Blutspenden oder eine genaue Befragung des Spenders zu seinem Sexualverhalten.