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Im Kampf gegen die Gesellschaft

Das neue Magazin «Team» gibt der Community auf den Philippinen ein Gesicht.

Katholizismus und Stigmatisierung machen der LGBT-Community auf den Philippinen das Leben schwer. Ein neues Magazin mit dem vertraut klingenden Namen «Team» will das nun ändern und schwulen Männern eine Stimme geben. Greg Zwygart traf den Chefredaktor in Manila.

Im Frühjahr 2015 sorgte auf den Philippinen eine Kampagne des heimischen Modelabels «Bench» für Furore. Unter dem Motto «Love All Kinds Of Love» präsentierten verschiedene Menschen eine Beziehung, die ihnen am Herzen liegt. Darunter auch ein schwules Paar: Vince Uy, Kreativchef eines Modemagazins, zeigte sich mit seinem Partner Nino Gaddi – der Arm um seine Schulter gelegt, ein scheues Hände­halten.

Das Motiv war alles andere als provokativ, sorgte aber für Gesprächsstoff und Widerstand. Die Hände des Paars wurden von Unbekannten ausgeschwärzt, und das auf einer riesigen Werbetafel auf der Epifanio de los Santos Avenue, einer der wichtigsten Verkehrsadern der Hauptstadt Manila. Gegenüber den Medien zeigt sich Uy enttäuscht: «Wir sind nicht einmal küssend zu sehen!»

Einer der kreativen Köpfen hinter der Kampagne war Paolo Lorenzana. Unter seiner Leitung als Chefredaktor erscheint seit April 2015 viermal jährlich das Magazin «Team», das nach langer Zeit erste Magazin für schwule Männer auf den Philippinen. Auf ihrer Website steht geschrieben: «In unserem eigenen Land haben wir zwar keine Rechte, aber wenigstens können wir an Autorität gewinnen, indem wir unsere Worte und Ideen zu Papier bringen.»


Anstössiges Plakat? Die Hände der beiden Männer wurden auf einer grossen Plakatwand ausgeschwärzt. (BIld: via Scout Mag)
Anstössiges Plakat? Die Hände der beiden Männer wurden auf einer grossen Plakatwand ausgeschwärzt. (BIld: via Scout Mag)

Die Zeitschrift lässt sich auf verschiedenen Ebenen mit der Mannschaft vergleichen. Auf mattem Papier veröffentlicht «Team» Hintergrundartikel zu Themen aus Politik und der Dating-Szene sowie aus den Bereichen Lifestyle und Kultur. Im Januar 2016 traf ich mich in der Hauptstadt Manila mit Paolo, um auf eine symbolische Partnerschaft anzustossen. Denn unsere Magazine verbindet mehr, als nur der Name: Mit Freunden und Gleichgesinnten Ziele erreichen, «goals», sagt mir der 30-Jährige. Vor einigen Jahren habe es auf den Philippinen andere Schwulen­magazine gegeben, die sich aber auf Sex und Nacktfotos fokussiert hatten. Diese Zeiten seien nun vorbei, sagt Paolo. «Zum Schwulsein gehört mehr als nur Sex.»

Die Finanzierung von «Team» war für Paolo, der als Marketingmanager im Bereich Social Media und Web tätig ist, keine einfache Sache. Nach einem schwierigen Start ist es ihm jedoch gelungen, Firmen wie das Modelabel Uniqlo als Kunden zu gewinnen.

Die Scheidung gibt es nicht
Eine unglückliche Beziehung mit einem ungeouteten Mann gab Paolo die Idee für die «Bench»-Kampagne. Diese soll die Botschaft von Liebe und Stolz vermitteln – Werte, die Paolo in seiner damaligen Partnerschaft vergeblich suchte. «Eine solche Beziehung kommt für mich heute nicht mehr in Frage. Ich will einen Partner, der stolz ist auf mich.»


Bis heute lebt ein Grossteil der schwulen Männer ihre Sexualität im Verborgenen aus. Doch wie setzt man sich für ein Coming-out ein in einem Land, das weder die Scheidung noch die Abtreibung kennt? Die Philippinen sind eine ehemalige Kolonie Spaniens und die Katholische Kirche nimmt bis heute eine wegweisende Stellung in allen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens ein. Sex vor der Ehe ist undenkbar, Kondome zur Familienplanung sind Tabu.

Paolo ist überzeugt, dass der Glaube auch eine wesentliche Rolle in der Unterdrückung der eigenen Sexualität spielt. Ob er sich denn nicht vor dem Zorn Gottes fürchte, fragte ihn seine Mutter, nachdem sich Paolo bei ihr geoutet hatte. «Wenn sich die Himmelspforten öffnen, wird dir der Einlass verwehrt, weil du einen Mann geliebt hast», sagte sie ihm.

«Was werden deine Tanten, Onkeln und Cousins von dir denken?» und «Willst du denn keine eigene Familie haben?» sind weitere Fragen, die sich Paolo auch noch heute anhören muss. Für eine kurze Zeit versuchte sie, ihn zu einem Therapeuten zu schicken, einem «ehemaligen» Schwulen.

Kein Schutz vor Diskriminierung
«Kinder zu haben ist für Filipinos wichtiger, als ihrer Identität treu zu sein. Es wird verlangt, dass man seine Gefühle unterdrückt, um sich der Einheit der Familie unterzuordnen», sagt er. Auch aus beruflicher Sicht ist es auf den Philippinen nicht ratsam, sich zu outen. «Willst du in deinem Job nicht erfolgreich sein? Befördert werden?», wollte seine Mutter von Paolo wissen.

«Die Auffassung, dass es Schwulen nur um Sex geht, ist noch weit verbreitet», sagt Paolo. Für viele sei das Konzept einer langfristigen homosexuellen Partnerschaft nicht greifbar.

Die Ehe werde ich nicht mehr erleben.

Die Einstellung zur Homosexualität und zum Gebrauch von Kondomen führe dazu, dass die Philippinen mit rasant steigenden HIV-Zahlen zu kämpfen haben, auch bei der heterosexuellen Bevölkerung, so Paolo. «Auch die Regierung bemüht sich nicht darum, Safer Sex zu propagieren. So kommt es dazu, dass die veraltete Verhütungsmethode des frühzeitigen Herausziehens immer noch als gängigste Form der Familienplanung akzeptiert wird.» Ein Teufelskreis.

Organisationen, darunter auch LGBT-­Gruppierungen, versuchen diesem Trend mit Prävention und Aufklärung entgegenzuwirken. Keine leichte Aufgabe, da auf den Philippinen ein positiver HIV-Status einem sozialen Todesurteil gleichkommt. Die damit verbundene Scham führe dazu, dass ein HIV-Test für viele Männer überhaupt nicht erst in Frage komme.

Anstrengungen, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen, bleibt für die LGBT-Community auf den Philippinen vorerst noch ein Traum. «Die Ehe werde ich nicht mehr erleben», sagt Paolo. «Wichtiger ist für uns der Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz und vor Hassverbrechen. Erst gerade wurde eine Transfrau vergewaltigt und ermordet. Meinem Redaktor wurde eine Stelle vorenthalten, weil er schwul ist.»

Hardliner als neuer Präsident
Am 9. Mai wählten die Philippinen mit Rodrigo Duterte einen Mann zum Präsidenten, der im Vorfeld heftig polarisierte und auch schon mit dem amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump verglichen wurde. Während den Wahlen bezeichnete Duterte den Papst etwa als Hurensohn oder machte Witze über die Vergewaltigung einer Frau. Er gilt als Hardliner, der mit der Wiedereinführung der Todesstrafe und der Auflösung des Kongresses gedroht hat. Kritiker befürchten die Rückkehr zu einer Diktatur, die das Land bereits in den Siebziger- und Achtzigerjahren unter Ferdinand Marcos erlebt hat.

Gegenüber LGBT-Themen scheint der neue Präsident Duterte jedoch ziemlich progressiv zu sein. Obwohl er keine Scheu hat, in der Öffentlichkeit homophobe Schimpfwörter zu verwenden, hat er sich gegen die Diskriminierung von LGBT-Menschen ausgesprochen. Letztes Jahr beteuerte er in einer Talkshow, dass er keine Probleme damit haben würde, falls sich sein Sohn als schwul outen würde. «Jeder hat das Recht, glücklich zu sein», sagte er.

«Team» erscheint viermal jährlich.
«Team» erscheint viermal jährlich.

 

Ob es sich dabei um leere Worte handelt, zeigt sich spätestens, wenn Duterte Ende Juni das Präsidentenamt übernimmt. Die Community bleibt angesichts seiner radikalen Ansichten skeptisch und hält sich mit der Wertung seines Wahlsieges eher zurück. Über Facebook wurde ein Treffen im lockeren Rahmen angekündigt, um sich innerhalb der Community auszutauschen. Ein Treffen, bei dem auch Paolo als Vertreter der Gay­medien beiwohnen wird.

Doch die Wahlen vom 9. Mai bewirkten auch einen Dammbruch. Die Provinz Bataan wählte mit Geraldine Roman zum ersten Mal eine Transfrau in den Senat. Die 49-Jährige gilt als Hoffnungsträgerin für die Anliegen der Community.

«Es ist mir bewusst, dass die Herausforderung in meiner Position beträchtlich ist, da die Stereotypen in der Gesellschaft hinsichtlich LGBT-Menschen gross sind», sagte sie gegenüber den Medien. «Wir gelten oft als frivol, als Menschen, die nichts Substanzielles zu sagen haben. Meine Aufgabe wird es sein, diese Leute eines Besseren zu belehren.»

Bezüglich seiner Mutter hat auch Paolo einen Hoffnungsträger: seinen neuen Freund. Sie soll ihn besser kennenlernen, wenn er das nächste Mal aus den USA zu Besuch ist. «Wir werden also viel Zeit mit meiner Mutter verbringen», sagt Paolo lachend. «Hoffentlich wird das ihre Einstellung ändern.»


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